Mittwoch, 4. April: Eigentlich sollte auch der Regisseur und Co-Autor des Films „Reşeba – The Dark Wind“, Hussein Hassan, bei der NRW-Premiere seines Films im Kölner Filmforum dabei sein. Probleme mit seinem Ausreisevisum verhinderten dies allerdings. So mussten die zahlreich erschienenen Premierengäste mit dem Produzenten Mehmet Aktaş vorliebnehmen, der als weiterer Co-Autor des Drehbuchs aber schon frühzeitig in die Produktion involviert war und ebenfalls einiges bei der anschließenden Fragerunde zu berichten wusste. Er dankte Gastgeber und Moderator Joachim Kühn von der Kinogesellschaft Köln, „der schon mehrmals kurdische Filme nach Köln eingeladen hat und den ich mittlerweile einen Freund nennen darf.“ Außerdem freute sich Aktaş, im Filmforum viele andere bekannte Gesichter zu sehen, von alten Freunden aus seiner Uni-Zeit bis hin zu neueren Weggefährten. Hussein Hassan befasst sich in seinem Film mit dem 73. Genozid an den Jesiden, der im Jahr 2014 durch die Eroberung von Sindschar durch den Islamischen Staat erfolgte. Verdeutlicht wird das Massaker an einem persönlichen Schicksal zwischen einem jungen Jesiden und seiner zukünftigen Frau. Diese wird zusammen mit etlichen anderen jesidischen Frauen vom IS entführt und vergewaltigt, kann aber danach wieder freigekauft werden und kehrt zu ihrer Familie ins Flüchtlingslager zurück. Natürlich ist danach nichts mehr wie zuvor, zumal die junge Frau auch von der eigenen jesidischen Gemeinschaft gebrandmarkt wird.
Mehmet Aktaş erläuterte beim Publikumsgespräch, dass er Hussein Hassan bei den Dreharbeiten zu „Bîranînen li ser kevirîn“ kennengelernt hatte. In dem 2015 auf dem Münchner Filmfest gelaufenen Film von Shawkat Amin Korki fungierte Aktaş ebenfalls als Produzent und Ko-Autor, Hassan spielte die Hauptrolle. Damals planten die beiden, gemeinsam einen Film über die Tragödie von Roboski zu drehen, das kurdische Dorf, das 2011 von türkischen Kampfflugzeugen angegriffen wurde, was 34 Dorfbewohnern das Leben kostete. Die Vorbereitungen zu dem Projekt waren bereits angelaufen, als sich der Angriff auf Sindschar ereignete. Zahlreiche Mitarbeiter reisten überstürzt ab. „Das war ein wirklich unvergesslicher Tag in meinem Leben, zumal Hassan an dem Tag einen Herzinfarkt erlitt und daraufhin in die Charité nach Berlin gebracht wurde“, so der Produzent. Unter diesen Umständen erschien es den beiden nicht mehr möglich, weiterhin am Projekt über Roboski festzuhalten. Stattdessen entschied man sich, das Massaker von Sindschar filmisch aufzubereiten. Aktaş kehrte nach Südkurdistan zurück und erfuhr in den Medien, dass viele der entführten jesidischen Mädchen vom IS zurückgekauft worden waren. Er plante, ihr Schicksal in einem Dokumentarfilm zu schildern. Dabei erkannte der ehemalige Journalist, dass sich die Geschichten der meisten Mädchen sehr ähnlich waren. Deswegen entschied er sich dazu, exemplarisch eine Geschichte in Form eines Spielfilms zu erzählen.
Für den Dreh von „Reşeba – The Dark Wind“ arbeitete man mit zahlreichen Kurden zusammen, viele der Statisten des Films waren tatsächliche Opfer der authentischen Ereignisse. Rekish Shahbaz, der Darsteller des Reko, ist ein Dokumentarfilmer und Journalist aus Südkurdistan, der nach den Dreharbeiten nach Kanada fliehen musste. Genau wie Dimen Zandi, die Darstellerin der Pero, die mittlerweile in Teheran lebt, half er schon im Vorfeld mit, Informationen zusammenzutragen und Hintergründe zu recherchieren. Die Dreharbeiten begannen schon wenige Monate nach dem Angriff auf Sindschar im Jahr 2014, zwei Jahre später war „Reşeba“ abgedreht und begann seine lange und erfolgreiche internationale Festivalkarriere. In diesem Jahr wurde er auch als „bester nicht-englischsprachiger Film“ zu den Oscars eingereicht, schaffte es allerdings nicht auf die Nominiertenliste. Aktaş erzählte, dass sein Film auf sozialen Medien von unterschiedlichsten Seiten stark kritisiert würde, auch beim Gespräch im Filmforum wurde der Eindruck geschildert, dass im Film die negativen Auswirkungen innerhalb der jesidischen Gesellschaft schwerer wiegen als der Terror des IS. Der Produzent kommentierte daraufhin die ablehnende Haltung gegenüber vergewaltigten Frauen folgendermaßen: „So etwas hat mit Menschen, egal welcher Religion, zu tun. Aus meiner Erfahrung als Kriegsjournalist kenne ich dieses Verhalten auch aus vielen anderen Kriegen.“ Aktaş war es wichtig, die Geschichte der Jesiden öffentlich zu machen und dadurch zu Diskussionen anzuregen: „Gefühle kann man im Kino besser übermitteln als im Journalismus, deswegen bin ich zum Kino gewechselt. Wenn man das Herz von jemandem erreicht, erreicht man auch dessen Verstand.“
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