Mittwoch, 8. März: Die große Filmpremiere von „Zwischen den Jahren“, dem ersten Kinolangfilm von Lars Henning, im Kölner Odeon-Kino stellte für den Filmemacher eine Art Heimspiel dar. Zahlreiche der Szenen seines packenden Psychodramas, in dem ein aus der Haft entlassener Mörder dem Hinterbliebenen seiner Opfer begegnet und von diesem tyrannisiert wird, hatte der Filmemacher in und um Köln herum gedreht. Allerdings mit der Idee im Hinterkopf, so wenig wie möglich im Bild zu zeigen, was auf die Domstadt hinweisen könnte. Deswegen hatte Henning Szenen in der Innenstadt komplett ausgespart und durch Unkenntlichmachung der Locations versucht, seine Geschichte an einer Art „Nichtort“ zu erzählen. Zur feierlichen Premiere von „Zwischen den Jahren“, der einige Wochen zuvor zu großartigen Kritiken und überwältigender Zuschauerresonanz in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ auf der Berlinale uraufgeführt worden war, hatte Lars Henning nicht nur seine vier vorzüglichen Hauptdarsteller mitgebracht, sondern noch rund zwanzig weitere Teammitglieder aus dem Cast und der Crew, denen nach der Projektion im Odeon-Kino auf der Bühne applaudiert wurde.
Das Bühnengespräch selbst nahm einen eher unglücklichen Verlauf, da sich Moderator Michael Westerhoff mit seinen banalen Fragen bei den anwesenden Schauspielern schnell unbeliebt machte und diese mit einsilbigen Antworten gar keinen richtigen Flow aufkommen ließen, was der spannende und clever in Szene gesetzte Film wahrlich nicht verdient hatte. Hauptdarsteller Peter Kurth konnte auf der Bühne lediglich entlockt werden, dass er durch die „schöne harte Geschichte“ vom Drehbuch fasziniert war und gerne zugesagt hatte. Catrin Striebeck nutzte ihre Zeit vor dem Mikrofon, um auf den am selben Tag stattfindenden Weltfrauentag aufmerksam zu machen. Anschließend gab sie zu Protokoll, dass sie „Zwischen den Jahren“ nun in Köln zum ersten Mal gesehen habe und sehr beeindruckt von ihm sei, obwohl er „natürlich kein Feel-Good-Movie“ wäre. Peter Kurths Filmantagonist Karl Markovics nahm die Frage des Moderators nach der Anlage seiner Figur mit Humor und sagte dem Kölner Publikum: „Ich muss meine Arbeit nicht beschreiben, idealerweise sieht man das Ergebnis meines Schaffens auf der Leinwand.“ Auch Regisseur Lars Henning war aufgrund von Westerhoffs Fragen etwas irritiert und merkte voller Ironie an: „Wir haben bei den Dreharbeiten gemerkt, dass wir uns immer weiter von der Komödie entfernen und haben das dann trotzdem durchgezogen.“
Nachdem Produzent Michael Gebhart den Unterstützern WDR, arte und der Film- und Medienstiftung NRW gedankt hatte, ohne die „Filme in dieser Machart und Qualität nicht umzusetzen“ seien, wurde das Gespräch auf der Bühne abgebrochen und für Fragen aus dem Publikum auf die Möglichkeit verwiesen, die anwesenden Gäste im Foyer noch im kleinen Rahmen anzusprechen. Dort erläuterte Lars Henning beispielsweise, wie er überhaupt zur Idee für seinen Film gekommen war. 2006 hatte er bereits den Kurzfilm „Security“ gedreht, in dem Peter Kurth einen Wachmann namens Becker für ihn gespielt hatte. „Damals habe ich mir schon eine Backstory für die Figur ausgedacht, die mich danach immer weiter verfolgt und nicht mehr losgelassen hat. Ich wollte einfach mehr über diesen Becker erzählen“, so der Regisseur. Als er schließlich den Einfall hatte, von einem gerade aus dem Gefängnis entlassenen Mann zu erzählen, der nun ein neues Leben beginnen möchte, sei er sich des stereotypen Hintergrunds dieser Konstellation durchaus bewusst gewesen. Um mit diesem zu brechen, habe er sich intensiv mit der Frage der Schuld beschäftigt und sein Drehbuch darauf angelegt, beim Zuschauer Sympathien für den ehemaligen Mörder entstehen zu lassen, bevor dieser über dessen Hintergründe eingeweiht wird. Henning war froh, als sein Wunschkandidat für die Figur Becker, Peter Kurth, Zeit und Lust hatte, diese rund zehn Jahre alte Rolle weiter auszubauen. Beckers Antagonisten zu finden gestaltete sich dann doch als etwas schwieriger, wobei Karl Markovics dafür auch von Anfang an schon in der engeren Wahl gewesen sei. „Ihn dafür zu gewinnen, war ein großes Geschenk für uns. Er brachte eine ganz andere Physis mit ins Spiel und hat im Film seine Spuren hinterlassen“.
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