„Schreib! Dein! Buch!“ schreit es von den Plakatwänden der Stadt, worüber im Literaturhaus an diesem Abend nur etwas genervt gelächelt wird. „Der Boom der Schreibangebote hat etwas Breitensportähnliches“, bringt es am vergangenen Sonntag M.A. Andreas Altenhoff auf den Punkt, der dem neuen Studienzweig „Literarisches Schreiben“ an der Kunsthochschule für Medien angehört. Eingeladen wurde er vom Literatur-Atelier, einer Textwerkstatt in Köln, die sich mittlerweile seit fast 30 Jahren jeden Monat trifft. Um im Bild zu bleiben, treffen sich hier eher die Profis: Die Textwerkstatt nimmt Schriftsteller mit gewisser Vorerfahrung auf, die noch während der Entstehung über ihre Texte sprechen möchten.
Schreiben lehren und Schreiben lernen, das wird oft mit einem Fragezeichen versehen, auch bei dieser Veranstaltung. Die Unsicherheit („geht das überhaupt?“) mag hierzulande auch von der Vorstellung des literarischen Genies kommen, das wichtige Abschnitte unserer Literaturgeschichte geprägt hat. Wo in den USA heute offenbar weit mehr als tausend Studiengänge zum „creative writing“ angeboten werden, sind hier bisweilen Beschwerden zu hören über eine Konformität des „Outputs“ der beiden großen Schreibstudiengänge in Leipzig und Hildesheim. Dass die unterschiedlichen Rezepte für ein besseres Schreiben aber gar nicht so weit voneinander entfernt sind, lassen die vielen Stimmen vermuten, die an diesem Abend zu hören sind. Von Hörspielautorin Nika Bertram, die schon in den 1980er Jahren die ersten Schreibschulen des Landes besuchte, über den Lyriker David Krause bis zum Hildesheim-Diplomierten Tilman Strasser: Alle suchten sie den Blick der Außenstehenden auf den eigenen Text, und mussten dabei zunächst die hilfreiche Kritik vom Rest unterscheiden.
Selbst in Hildesheim war die Aufgabe laut Strasser recht einfach umrissen: „Setzt euch zusammen, findet einen Modus, in dem ihr über eure Texte redet – und schreibt!“ Nicht viel mehr passiert im Kölner Atelier. Die Kulturhistorikerin und Autorin Mithu Sanyal ergänzt als wichtige Erfahrung dort noch das „Lesen lernen“. Mehrfach wird an diesem Abend die Reihenfolge „schreiben – lesen – und wieder schreiben“ als Schlüssel zum Erfolg genannt.
Eine wichtige Rolle spielt im Literatur-Atelier allerdings die Motivation des Einzelnen, zur Feder zu greifen. Darauf macht Liane Dirks aufmerksam, die als eine Art Moderatorin in der Textwerkstatt tätig ist. Dass Schriftsteller aus dem eigenen Leben schöpfen sollen, darüber ist man sich einig – sonst kann das Ergebnis allzu kalt und leblos wirken. Manchmal aber sei das „Material“ noch gar nicht verarbeitet, wie Dirks berichtet. „Das erfordert eine hohe Sensibilität mit denen, die da kommen: Wenn die ein heiliges Thema haben, aber man merkt, das ist es noch nicht.“ Damit wendet sie sich durchaus auch an die Hochschulen, wenn sie sich fragt, wie so mancher Dozent eigentlich ausgewählt sei – vielleicht nicht genug mit dem Blick auf die nötige Sensibilität.
Andreas Altenhoff möchte seinen Studierenden vor allem ein gutes Umfeld zum Kreativsein bieten. „Schreiben lehren oder lernen ist nicht möglich. Das hat auch niemand behauptet.“ Auch einen festen Beruf nach dem Studium mag er niemandem versprechen. Dennoch gibt es offenbar auch schon vor der Einführung des neuen Studienschwerpunkts einige KHM-Absolventen, die später Schriftsteller oder Autoren geworden sind. Die Einzigartigkeit des Studienschwerpunkts sei weiterhin diese Durchlässigkeit, so Altenhoff: Wer gerade doch nicht schreiben wolle, könne auch jederzeit fotografieren oder einen Film drehen. Nur dem Schreiben zur reinen Identitätsfindung steht er skeptisch gegenüber: „Wer als Autor sich selber sucht, ist mit Twitter bestens bedient.“
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