„So kommt man an ein junges Publikum“, kommentiert der Musiker und Komponist Arno Steffen seinen Auftritt im OFF Broadway lakonisch und hat die Lacher auf seiner Seite. Der erste Abend der Kölner Kino Nächte steht ganz im Zeichen der Folkmusik und Steffen performed mit großer Hingabe seine Interpretation von „All Along the Watchtower“, ein Song eines der größten Folkmusiker der Welt, Bob Dylan. Auch sein Lied „Immistadt“ sorgt für gute Stimmung in dem gut gefüllten Kinosaal. Im Kontrast dazu schließt er sein kleines Konzert mit einem melancholischen Abgesang auf den „Karneval in Köln“ ab. Ein mehr trauriges als feierliches Stück und eine Warnung an alle, die den Karneval in der Domstadt verbringen wollen.
Die gleiche Performance wird er noch einmal liefern, nach der Vorführung von „Inside Llewyn Davis.“ Steffen bezeichnet das selbstironisch als Einfallslosigkeit, rahmt damit aber diese Loser-Ballade der Coen-Brüder, die von einem erfolglosen Folkmusiker handelt, dessen Leben sich im Kreis zu drehen scheint, perfekt ein.
Der Konzertfilm „Another Day, Another Time: Celebrating the Music of Inside Llewyn Davis“, welcher direkt im Anschluss an den Hauptfilm gezeigt wird, bietet einen ganz besonderen Leckerbissen für jeden Musikliebhaber: Hier finden sich etablierte Musiker wie z.B. Jack White, Patti Smith, Marcus Mumford und sogar Hauptdarsteller Oscar Isaac in der New York City Town Hall zusammen und präsentieren nicht nur den Soundtrack des Films, sondern auch Musik, die im Dunstkreis von Downtown New York in den 60er Jahren geboren wurde.
Der Konzertfilm wechselt dabei übergangslos von der Bühne zu den Proben, immer unter der ständigen Obhut des Rocksängers, Gitarristen und Produzenten T-Bone Burnett. Dieser war schon das Zugpferd hinter dem Oscar-prämierten Soundtrack von „Crazy Heart“, kommt aber leider als einziger nicht zu Wort. Zusammen mit den Coen-Brüdern ist er nur ein stiller Beobachter bei den Proben. Bedächtig umschleicht er die Musiker, redet ihnen hin wieder für das Publikum nicht hörbar zu. Eine Dokumentation hatte Regisseur Christopher Wilcha nicht im Sinn und viele Informationen über die Künstler und die Produktion bleiben vorenthalten.
In den Interviewausschnitten sprechen z.B. die Musiker der Milk Carton Kids, Dave Rawlings Machine und The Avett Brothers über ihre besondere Beziehung zur Folkmusik. Und wenn der The Decemberists-Frontsänger Colin Meloy vom Song „This Land is your Land“ schwärmt, der zum ersten Mal patriotische Gefühle in ihm auslöste, kann das abgedroschen klingen. Der Film hat gelegentlich den Anschein von Selbstbeweihräucherung, wäre da nicht die wunderbare Musik.
Die freundschaftliche Atmosphäre und der Enthusiasmus unter den Musikern, die es kaum erwarten können auf die Bühne zu kommen und vor und nach ihren Auftritten in den Gängen und auf den Treppen der Konzerthalle einfach weiterspielen, ist jedoch für das Publikum spürbar. Besonders in diesen Momenten bekommt man einen Einblick und eine Ahnung von der nachhaltigen Bedeutung der Folkmusik für die amerikanische Kultur. Und wenn Rhiannon Giddons einen gälischen Folksong mit ihrer feurigen Stimme schmettert, stellt sich Gänsehaut beim Zuschauer ein und der Eindruck, einen Blick in die Bühnenwelt und Historie dieser Musik erhalten zu haben.
Ein heftiges Gewitter erwartet die Zuschauer vor dem Kino. Doch wie Arno Steffen schon zu Beginn des Abends sagte: „Was uns bleibt, sind die Songs und der Klang.“ Das kann auch kein Unwetter wegspülen.
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