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Szene aus „Mirror and Music“
Foto: Sakae Oguma

Magische Apokalypse

03. April 2012

Tänzerische Virtuosität in Düsseldorf – Tanz in NRW 04/12

Die Schnelligkeit und Geschmeidigkeit seiner Bewegungen sind sein hervorragendes künstlerisches Merkmal. Das Tempo seiner Drehungen, seiner Armschwünge, die rasante Abfolge kleiner Bewegungen, die sich durch den ganzen Körper wie von Muskel zu Muskel und Gelenk zu Gelenk fortsetzen und erst in den Füßen enden, ziehen fast suggestiv den Blick auf dieses Bewegungs-Gesamtkunstwerk mit Namen Saburo Teshigawara.

Während einer Europatournee ist der japanische Choreograf mit seinem neuen Tanzstück „Mirror and Music“ zu seinem einzigen Deutschland-Gastspiel in das Tanzhaus NRW in Düsseldorf gekommen. Ein tänzerisches Hightlight sondergleichen!

Starr stehen gesichtslose Gestalten in mönchsähnlichen Kutten, die Kapuzen weit über den Kopf gezogen im Dunkel der leeren Bühne. Die Lichtblitze eines Stroboskops schälen für Sekundenbruchteile diese wesenlosen Gestalten aus der Dunkelheit wie aus einem unendlichen Menschheits-Vergessen. Endzeitstimmung. Wenn dann wenig später drei dieser Gestalten auf dem Boden liegen, Oberkörper und Arme in einem hellen Lichtstreifen, während der Unterleib im Dunkel verschwindet, dann wirkt dies, als würden sie sich an den Rändern der Erde festklammern.

Die mystische Verklärtheit des Anfangs entwickelt sich schnell zu einer apokalyptischen Szenerie, die von schnellen musikalisch-akustischen Wechseln wie vom schnellen Wechsel der Bewegungs-Tempi vorangetrieben wird. In einer ohrenbetäubenden Geräusch-Kakophonie, die an den donnernden Lärm einer herannahenden Metro erinnert, rasen die acht Tänzer von Teshigawaras Ensemble Karas, die Arme wie Antriebsmaschinen wirbelnd, in endlos wirkenden Kreisen über die Bühne – oder sie stehen sich wie im Kampf gegenüber. Licht und Schatten, Wiederholung und Widerhall geben der Szenerie eine fast schon philosophisch anmutende Tiefgründigkeit, die zu den Inhalten des ansonsten abstrakt getanzten Stückes führt. Der herannahende Donner endet so abrupt wie er begann, wird später abgelöst von barocken Klängen oder einem sirrenden Dauerton, der zum Schluss in Bachs Chorgesang „Komm süßer Tod“ mündet. Mehrfach übernimmt Teshigawara die Bühne zu einem seiner so ungemein faszinierenden Soli, die hier die Düsternis noch verstärken.

Bei Teshigawara bekommt der Begriff der tänzerischen Virtuosität einen ganz anderen Klang. Virtuos ist schon die Bewegung an sich, die in unnachahmlicher Weise die fernöstliche Kultur des Butoh, der japanischen Form des Ausdruckstanzes, mit dem zeitgenössischen modernen Tanzvokabular verbindet. Virtuos ist aber auch die Fähigkeit, der komplexen Verbundenheit seiner oft kleinteiligen Bewegungen eine inhaltliche Bedeutung zu geben. Und so wird in der Folge auch nicht die Bewegung, sondern die Idee repetiert, variiert und fortgeführt. Es scheint – geht man vom Titel des Stückes aus - um die Idee der Spiegelung des eigenen Ichs in einer zusammenbrechenden Umwelt oder Gesellschaft zu gehen. Einer Spiegelung oder besser: existenziellen Reflektion, zu der die Menschheit historisch betrachtet immer nur in Momenten aufkommender Endzeitstimmung fähig zu sein scheint.

Klaus Keil

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