Seit ihrem Durchbruch 2005 in Til Schweigers „Barfuss“ hat die 1975 in Freiburg im Breisgau geborene Johanna Wokalek in einigen herausragenden deutschen Filmproduktionen gespielt. Neben ihren Rollen in „Nordwand“, „Der Baader Meinhof Komplex“ und „Die Päpstin“ fand sie aber auch immer wieder Zeit, am Burgtheater in Wien oder auf anderen Theaterbühnen zu brillieren. In Sherry Hormanns „Anleitung zum Unglücklichsein“ ist sie nun als Tiffany Blechschmid erstmals auf der Leinwand in einer komischen Rolle zu sehen.
choices: Paul Watzlawicks Buch ist weltbekannt, hatten Sie es im Vorfeld schon gelesen?
Johanna Wokalek: Nein, ich hatte es noch nicht gelesen. In den 80er und 90er Jahren war es ein großer Bestseller, und Iris Berben kannte das Buch und hatte es gelesen, ich allerdings nicht. Mir ist es über Sherry Hormann (die Regisseurin, die Red.) neu begegnet.
Waren Sie zunächst skeptisch, dass hier ein Sachbuch als Spielfilm verfilmt werden sollte?
Ich hatte praktisch zeitgleich eine frühe Drehbuchfassung von Sherry Hormann, die ich dann parallel mit dem Buch von Watzlawick gelesen habe. Ich fand es faszinierend, wie Sherry ihren ganz eigenen Zugang dazu gesucht hat, den Watzlawick zu verfilmen, indem sie diese Gedankenwelt in die Figur der Tiffany Blechschmid verlegt. Ich hätte den Schlüssel dazu, wie man dieses Sachbuch verfilmen könnte, gar nicht gewusst. Es ist streng genommen auch keine Verfilmung, sondern ein Film in Anlehnung an die Buchvorlage. Mir hat das aber nichtsdestotrotz sehr gut gefallen, weil ich finde, dass Sherry die Essenz von der Gefühls- und Gedankenwelt und der dahinter steckenden Problematik von „Anleitung zum Unglücklichsein“ im Charakter der Tiffany Blechschmid trifft.
In Anlehnung an Tiffanys Charakterisierung im Film – was trifft auf Sie persönlich am ehesten zu: Pessimist, Realist oder Pragmatiker?
Ich würde sagen, ich bin Optimist, aber Mist ist immer mit dabei (lacht).
Laut Untertitel wird Tiffany von der Liebe gefunden – trifft das Ihrer Meinung nach zu, oder muss man sich auch selbst aktiv auf die Suche begeben?
Dazu gehören natürlich immer zwei, und die müssen sich natürlich auch finden, sich begegnen und aufeinander stoßen. Dazu gehört auch, dass man offen ist dafür und sich der Liebe öffnen kann.
Das ist Ihre erste Kinokomödie – war das eine bewusste Entscheidung, mal etwas anderes auszuprobieren, oder würden Sie generell gern häufiger komische Rollen spielen?
Das war jetzt für mich genau die richtige Komödie im richtigen Augenblick. Zuvor hatte ich „Die kommenden Tage“ mit Lars Kraume gedreht, bei dem ich eine im Charakter eher problematische Figur gespielt hatte. Ich hatte mir das nicht überlegt oder geplant, aber ich hatte schon große Lust, mal eine komische Figur zu spielen. Da kam Sherrys Buch genau im richtigen Augenblick ins Haus geflattert. Ich habe am Theater schon Komödien oder komödiantische Figuren gespielt, aber im Film bislang nicht, und das hat mich sehr gereizt. Das hat mir beim Drehen besonders viel Vergnügen bereitet. Es war für mich eine große Freude, das zu spielen.
Bekamen Sie denn davor auch ab und zu Komödien angeboten oder beschränkten sich die Rollenangebote eher auf Stoffe, die Ihren bisherigen Filmen entsprachen?
Nein, ich hatte durchaus auch vorher schon Angebote für Komödien. Aber die Lust auf einen Charakter oder die Geschichte, in der man spielt, ist bei meiner Rollenauswahl natürlich ausschlaggebend. Und das passte vor „Anleitung zum Unglücklichsein“ bisher noch nicht so zusammen.
Sind Sie denn ein zitatfähiger Mensch, der immer mal wieder berühmte Sprüche auf Lager hat?
Nein, leider nicht. Man kann mich damit aber sehr erheitern. Es gibt ja Menschen, die haben zu jeder Gelegenheit immer passende Zitate oder Gedichte parat. Und obwohl ich mich beruflich immer mit Textlernen befasse, kann ich so etwas nicht. Ich bin nicht so ein Spruchkistchen.
Sie scheinen Ihre Kinorollen sehr bewusst auszuwählen, andererseits ist Ihnen das Theaterspielen nach wie vor sehr wichtig. Wie kann man das denn organisatorisch unter einen Hut bringen?
Toi, toi, toi, bislang konnte ich das gut bewältigen. Es ist bei mir immer wieder Luft für einen Film oder eine Theaterrolle. Ich kann natürlich nicht dauernd eine Theaterproduktion nach der anderen machen, dann könnte ich keine Filme drehen – und umgekehrt. Ich glaube, durch den Wechsel und dadurch, dass sich das zeitlich immer ganz gut gefügt hat, ist das gelungen. So richtig kann ich allerdings nicht sagen, woran das liegt – das ist sicherlich auch Glückssache. Beim Film ist aufgrund der Förderungen, die den Zeitplan oftmals verschieben, das Meiste nicht so leicht planbar. Es muss sich fügen, also Glück braucht man dafür auf jeden Fall.
Begegnungen sind nie zufällig, heißt es im Film. Können Sie persönlich bestätigen, dass das stimmt?
Das ist eine Frage des Blickwinkels und wie man aufs Leben schaut. Entweder, man hält es für Zufall oder kann sagen, dass es vorherbestimmt war. Ich würde das je nach Begegnung immer wieder neu abhandeln (lacht). Mal würde ich eine Begegnung für Zufall halten, mal für Vorherbestimmung.
Was war denn auf Ihrem beruflichen Weg die bislang wichtigste Begegnung, die Sie hatten?
Am Theater sind das die Andrea Breth und Luc Bondy, und Peter Zadek, mit dem ich arbeiten konnte. Zuletzt ist noch Alvis Hermanis hinzugekommen, mit dem ich gearbeitet habe. Das ist total schwierig, das einzugrenzen. Mir fällt das schwer, weil die Persönlichkeiten, denen ich glücklicherweise begegnen durfte, so verschieden sind. Ich bin dankbar, dass diese Begegnungen stattgefunden haben, aber ich könnte keine wichtigste darunter auswählen. Auch bei Sherry Hormann war das jetzt wieder ganz anders, sie ist die erste Frau, für die ich vor einer Filmkamera gestanden habe. Am Theater hatte ich ja zuvor schon mit Andrea Breth zusammengearbeitet. Jedes Mal erlebe ich mit den Regisseuren und Regisseurinnen etwas ganz anderes und entdecke auch an mir durch die Begegnung anderes.
Auffällig ist aber, dass Sie fast nur Menschen vom Theater genannt haben. Ist Ihnen Theater nach wie vor wichtiger als Film?
Das würde ich so nicht sagen wollen, mir ist die Mischung wichtig. Ich fand es in den letzten Jahren ganz schön, dass ich die Möglichkeit hatte, sowohl im Film als auch am Theater zu spielen. Auch im Film waren es tolle Frauenfiguren und komplexe Charaktere, die ich darstellen konnte, und darum geht es mir. Das war mir zuletzt sowohl im Film als auch am Theater möglich, und mir liegt schon viel an dieser Mischung.
Insgesamt entsteht dadurch in Ihrer Rollenauswahl ein sehr runder Gesamteindruck. Liegt das daran, dass Sie sehr viele Angebote aussieben?
Leider gibt es gar nicht so viele schöne Bücher und Drehbücher. Mir liegt keineswegs jede Woche ein tolles Drehbuch vor, das ich unbedingt machen will und durch das ich dann in große Konflikte geraten würde, wie ich das alles unterbringen soll (lacht). Im Lauf der Jahre hat sich bei mir die Auswahl aus meinem eigenen Leben ergeben. Mein Leben schreitet fort, ich werde älter, bin jetzt Mutter geworden. Auch in meinem privaten Leben passiert ja eine Menge, aus dem heraus sich dann auch meine Rollenauswahl bedingt. Die Lust auf eine Rolle entsteht bei mir auch aus der Phase meines Lebens heraus, in der ich mich gerade befinde.
Gibt es denn derzeit noch Rollen, die Sie gerne einmal spielen würden, neue Ziele für Ihre Karriere?
Das kann ich so nicht sagen. Ich bin jemand, der mitschwimmt im Fluss des Lebens und dabei offen ist für das, was sich anbietet. Und wenn diese Angebote dann parallel zu dem sind, was ich gerade empfinde, dann versuche ich zuzugreifen und hoffe, dass es gelingt. Es geht mir eigentlich nur darum, auch weiterhin schöne Geschichten zu erzählen. Mehr Ziele habe ich nicht. Und dann natürlich die Hoffnung, dass am Ende was Gutes dabei herauskommt, was man beim Film vorher noch weniger weiß als beim Theater (lacht). Beim Theater weiß man schon viel früher, in welche Richtung das Ganze geht und ob das ein toller Abend werden wird oder nicht. Aber beim Film weiß man als Schauspieler gar nicht, in welche Richtung das beispielsweise durch den Schnitt noch gehen wird.
Hat sich das in den letzten Jahren nicht dadurch verändert, dass man die Tagesaufnahmen noch am Set am Monitor in Augenschein nehmen kann?
Bei den Dreharbeiten mit Sherry habe ich mir die beispielsweise nie angesehen, kein einziges Mal, weil das natürlich auch eine Menge Zeit kostet. Wenn sich die Schauspieler das immer direkt anschauen, werden sie vielleicht unsicher und wollen die Aufnahme wiederholen. Das haben wir alles gar nicht gemacht. Und selbst wenn, wäre das noch keine Garantie, denn der Film entsteht letztlich im Schnitt.
Können Sie noch etwas zu der Zusammenarbeit mit Iris Berben sagen, die in den letzten Jahren auch eher selten in Komödien zu sehen war?
Ich fand Iris ganz zauberhaft, sie ist irrsinnig witzig, wenn man mit ihr dreht. Sie ist wie ein junges Mädchen, auch wenn sie jetzt 60 Jahre geworden ist. Das war schön, es hat mir Spaß gemacht. Die Figur der Mutter ist durchaus wichtig für Tiffany, weil die Mutter als Über-Ich immer über ihr schwebt und Tiffany sich von ihr abnabeln muss. Ich glaube, dieses Gefühl kennen einige Töchter in Bezug auf ihre Mütter (lacht).
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