choices: Herr Hemig, die Finanzprobleme der Kommunen im IHK-Bezirk sind unübersehbar. Wo liegen die Ursachen?
Frank Hemig: Die sind vielschichtig: Manche Kommunen haben es insbesondere in den noch nicht sehr lange zurückliegenden Spitzensteuerjahren 2006 bis 2008 versäumt, ihre Haushalte zu konsolidieren. Die während dieser Phase weitestgehend erfolgte Umstellung auf das Neue Kommunale Finanzmanagement – sozusagen die kaufmännische Rechnungslegung für öffentliche Haushalte – hat trotz des erstmals erkennbaren Ressourcenverbrauchs das Finanzbild der meisten Kommunen zunächst schlagartig verzerrt. Haushaltsdefizite können aufgrund der Besonderheit der Ausgleichsrücklage für eine gewisse Zeit abgedeckt werden. Eine eigentlich strukturell verschuldete Kommune kann so einen formal ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Da bedarf es viel Überzeugungskraft in den Stadt- und Gemeinderäten und eines großen Maßes an Selbstverpflichtung in Politik und Verwaltung, trotzdem Sparmaßnahmen zu beschließen. Die schlagartigen Steuerausfälle in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise haben schließlich die tatsächliche kommunale Finanzmisere zu Tage gebracht. Nahezu alle Kommunen des IHK-Bezirks haben Einbrüche insbesondere bei der Gewerbesteuer erlitten. Auch wenn die Konjunktur jetzt wieder anzieht und die öffentlichen Kassen sich auf Einnahmezuwächse aus der Wirtschaft freuen können, bleibt ein ganz großes Problem: die unaufhörlich wachsenden Mehrausgaben bei den Sozial- und Transferleistungen. Bund und Länder bürden den Kommunen Aufgaben auf, ohne für eine angemessene Finanzausstattung zu sorgen.
Wie abhängig ist die Wirtschaft von der kommunalen Finanzsituation?
Die gegenseitigen Abhängigkeiten sind groß. Unternehmen sind wesentlicher Teil des örtlichen Gemeinwesens. Sie schaffen Arbeitsplätze, zahlen Steuern und Gebühren und engagieren sich auf vielfältige Weise im Sinne des Gemeinwohls. Wenn öffentliche Aufträge aufgrund des Sparzwanges wegbrechen und kommunale Steuern und Gebühren erhöht werden, trifft das selbstverständlich auch die örtliche Wirtschaft in negativer Hinsicht.
Die Kommunen sind unterschiedlich hoch verschuldet. Gibt es auch hausgemachte Gründe für das Defizit?
Selbstverständlich. Kommunen unseres Kammerbezirks reagieren in der Gesamtbetrachtung sehr unterschiedlich auf die zunehmend schwierigeren Finanzlagen. Obwohl ein Großteil der öffentlichen Ausgaben mit Sicherheit fremdbestimmt ist, werden oftmals Sparpotentiale nicht energisch genug verfolgt. Ich denke da beispielsweise an die Betriebskosten der städtischen Infrastruktur, die sich durch Outsourcing gebäudenaher Dienstleistungen oder sogar Rückbau angesichts des demographischen Wandels reduzieren ließen.
Würde da eine energischere Finanzaufsicht helfen?
Das System der Kommunalaufsicht hat sich durchaus bewährt. Gesamtwirtschaftlich betrachtet sind Kommunen weitaus weniger verschuldet als der Bund oder die Länder, obwohl Kommunen rund 80% der öffentlichen Infrastruktur finanzieren. Schon heute „regiert“ quasi der Regierungspräsident in das örtliche Finanzgeschehen hinein. Kommunen brauchen eine bessere Finanzausstattung und keinen Finanzkommissar.
Köln ist die größte Kommune im Kammerbezirk. Schlägt die Finanzkrise hier besonders durch?
Natürlich hat die Finanzkrise auch in Köln Spuren hinterlassen. Die Stadt gehört jedoch ungeachtet ihres immens hohen Schuldenberges eher zu den steuerstarken Kommunen unseres Kammerbezirkes. Einbrüche beispielsweise bei der Gewerbesteuer fielen relativ gesehen nicht so deutlich aus wie in Umlandkommunen. Für dieses Jahr rechnet man wieder mit Einnahmen von ca. 850 Mio. Euro bei der Gewerbesteuer. Als Oberzentrum hat Köln jedoch ein vergleichsweise hohes Aufgabenmaß zu finanzieren. Jeder fehlende Euro führt da schnell zur finanziellen Schieflage.
Welche Schwerpunkte sollte die Stadt setzen, um ihre Finanzkrise zu bewältigen?
Unternehmen wie Bürger brauchen eine funktionierende Infrastruktur. Es bedarf daher eines Sparens mit Augenmaß über alle Ausgabenbereiche hinweg. Im Fokus müssen zukunftsweisende Investitionen stehen, um Köln als Wirtschafts- und Wohnstandort attraktiv zu halten. Insbesondere die Umsetzung einer funktionalen und integrierten Stadtentwicklung auf Basis des von der Kölner Wirtschaft für die Stadt Köln finanzierten Masterplans bietet da aus meiner Sicht eine Chance.
Bietet hier die regionale Kooperation Chancen für das „Unternehmen Köln“, was Sparpotentiale und Perspektiven betrifft?
Auf jeden Fall. Beispiele wie das gut funktionierende gemeinsame Bürgerinfo-Call Center der Städte Köln und Leverkusen belegen, dass insbesondere in Ballungsräumen eine regionale Aufgabenteilung nicht zu Leistungseinbußen für den Bürger führen muss. Synergien lassen sich allemal durch eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit in vielen anderen öffentlichen Bereichen finden; etwa auch im Kulturwesen
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