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Foto: Irma Flesch

Mobilität der Minderheiten

29. Mai 2012

Jan Ü. Krauthäuser über Interkultur, Zigeuner und Inspiration - Thema 06/12 Integration

choices: Herr Krauthäuser, wie interkulturell ist die Kölner Kulturpolitik aufgestellt?
Jan Ü. Krauthäuser:
Wer in Zeiten klammer Kassen ein großes, innovatives Museum für die „Kulturen der Welt“ eröffnet und eine Million Euro in eine „Akademie der Künste der Welt“ investiert, verdient Lob und Respekt. Entscheidend wird aber sein, wie man mit diesem Pfund umgeht, und wie es konkret von der Bevölkerung genutzt werden kann. Hier bin ich nicht so optimistisch, denn auch in Köln neigen Politiker und Institutionen dazu, sich mit populären Heilsformeln wie „interkulturell“, „integrativ“ zu schmücken, anstatt sich mit den komplexen Wirkungszusammenhängen zu beschäftigen.

Wenn es um Interkultur geht, ist schnell von Minderheiten die Rede. Sind z. B. Roma und Sinti in Europa eine Minderheit?
Man sollte den einzelnen Zigeuner nicht auf seinen Minderheitenstatus reduzieren. Das ist nur eine Facette seiner Identität, deren Bedeutung er selbst definieren kann. Mit geschätzten 12 Millionen sind die Zigeuner in Europa im Übrigen eine weitaus größere Minderheit als die Schweizer. Ihre Bedeutung für die kulturelle Evolution des Kontinents ist dazu wahrscheinlich größer, als man meint. Als fahrende Künstler, Händler oder Handwerker waren sie so etwas wie eine mobile Kreativwirtschaft.

Das Wort „Zigeuner“ ist mindestens umstritten.

Jan Ü. Krauthäuser
Foto: privat
Jan Ü. Krauthäuser arbeitet als Grafiker, Journalist und als Kulturaktivist im Bereich „Progressives Brauchtum“. Er gehört zu den Organisatoren des Rheinischen Zigeunerfestivals (6.-8. Juni).

Für mich hatte das Wort immer einen guten Klang! Wie die meisten Gadje habe ich es natürlich zunächst über die romantisierende Literatur und die großartige Musik kennengelernt. Doch auch Markus Reinhardt und Rudi Rumstajn, die leibhaftige Zigeuner sind, und mit denen ich das Rheinische Zigeunerfestival organisiere, haben eine sehr positive Beziehung zu diesem alten Oberbegriff. Die Versuche, ihn durch politisch korrekte Wortketten zu ersetzen, verfolgen sie belustigt bis verärgert. Natürlich gibt es auch primär Betroffene, die nicht „Zigeuner“ genannt werden wollen, das respektiere ich unbedingt! Zur Vielfalt gehört auch, unterschiedliche Meinungen zu ertragen.

Wird Interkultur so Teil einer integrativen Kulturpolitik?
Es geht nicht darum, einen hübschen Minderheitenstrauß zu präsentieren, sondern die Diversität der Kulturen neu zu gestalten und dabei viele dieser interkulturellen Gemeinplätze zu entrümpeln. Individuen auf Figuren zu reduzieren und wohlmeinend in Themenghettos zu sperren, ist Teil einer Multikulti-Falle. „Der Zigeuner“ war immer auch ein Mythos, eine Projektionsfläche für Freiheit, Kreativität, Erotik, Grenzüberschreitung: eine ungeheure Inspirationsquelle für die Gesellschaft, die es gemeinsam zu erhalten und nutzen gilt.

WOLFGANG HIPPE

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