Freitag, 20. März: Der Reisebusbahnhof am Dortmunder Hauptbahnhof steht an diesem trüben und kalten März-Tag nicht nur im Zeichen der zahlreichen An- und Abreisenden. Eine Filmcrew hat hier derzeit noch ihre Zelte aufgeschlagen, um die finalen Dortmunder Szenen für Michael Kochs ersten abendfüllenden Spielfilm mit dem Arbeitstitel „Maria“ [endgültiger Titel: „Marija“, Nachtrag d. Red.] zu drehen. Bis zum 2. April wird anschließend noch in Köln weitergedreht, wo man in Mülheim und im belgischen Viertel weitere Locations gefunden hat, die im finalen Film Dortmund doubeln werden. Denn Michael Koch legt Wert darauf, dass „Maria“ in der östlichen Ruhrgebietsstadt angesiedelt ist. Für seine Kurzfilme „Wir sind dir treu“ und „Polar“ wurde der Autor und Regisseur schon auf etlichen Filmfestivals ausgezeichnet, u.a. in Madrid und Winterthur. Als „Polar“ zu einem Filmfestival in der Ukraine eingeladen wurde, lernte Koch dort eine Frau kennen, die später ihr Glück in Deutschland suchen sollte. Aus der Bekanntschaft erwuchs sein Interesse an Aussiedlern und ihrem schwierigen Leben fernab der Heimat, das „Maria“ nun als Storygrundlage diente.
Im Mittelpunkt des Films steht die junge Ukrainerin Maria (gespielt von Margarita Breitkreiz), die in Deutschland ihren Traum vom eigenen Friseursalon verwirklichen möchte. Das Geld dafür spart sie mit Gelegenheitsjobs und Gefälligkeiten zusammen. In der Dortmunder Nordstadt, aufgrund der zahlreichen Armutseinwanderer ein sozialer Brennpunkt in der Region, fand Michael Koch nicht nur das ideale Setting für seinen Film, sondern auch jede Menge interessanter Menschen und Geschichten. Er machte sich an die Recherchen für sein Drehbuch und verbrachte viel Zeit im Problemviertel. „Ich bin an so einem Ort ein Fremdkörper“, erläuterte der Filmemacher am Rande der Dreharbeiten. Viele der Leute begegneten ihm voller Skepsis, die sich erst in Vertrauen wandelte, als sie durch seine häufige Anwesenheit merkten, dass er sich wirklich für ihre Probleme interessiert. Einige der Anwohner haben es nun als Komparsen oder in kleinen Sprechrollen in Kochs Film geschafft. Denn die meisten von ihnen sind interessante Leute mit „interessanten Gesichtern, in denen man ablesen kann, dass sie lange Reisen hinter sich haben“. Diese Authentizität fand er auch bei seinen bislang eher unbekannten Hauptdarstellerinnen. Margarita Breitkreiz in der Titelrolle und Olga Dinnikova als deren beste Freundin Olga castete er, weil sie „ihre eigene Persönlichkeit in ihre Rollen integrieren“ konnten.
Neben den jungen Nachwuchsschauspielerinnen stand auch Georg Friedrich („Über uns das All“) vor der Kamera. Er spielt in „Maria“ einen Bauunternehmer, der der Ukrainerin eine Stelle beschafft, bald aber mehr von ihr will. In dieses moralische Dilemma sehen sich viele AussiedlerInnen gedrängt, die nach ihrer Ankunft in Deutschland häufig ihre familiären Bindungen im Heimatland verleugnen und für Geld fast alles tun, um überleben zu können. Dieses Verhalten dürfe man auf keinen Fall verurteilen, merkt Michael Koch an. Es sei ein Luxus, sich seine Würde und seinen Stolz zu erhalten, den diese Einwanderer nicht hätten, weil ihnen im fremden Land die entsprechende soziale Stütze aus Freunden und Verwandten fehle. Mit seinem Film, der voraussichtlich im Frühjahr 2016 von Real Fiction in die Kinos gebracht werden soll, möchte Koch den Zuschauern einen differenzierteren Blick auf die Thematik vermitteln. Im besten Fall sollen einen die Fragen, die der Film aufwirft, auch nach dem Kinobesuch noch begleiten und beschäftigen.
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