Sonntag, 1. April: Eine lange Reise hatte Geronimo Arevalos auf sich genommen, um in der Filmpalette für die Dokumentation „Raising Resistance“ zu werben: Zum ersten Mal in seinem Leben hatte der Kleinbauer seine paraguayische Heimat verlassen, um gerade auch in Deutschland das Bewusstsein für ein Problem zu wecken, das längst globale Ausmaße erreicht hat. In seinem kleinen Heimatdorf Santa Rosa, das in der so genannten Soja-Zone im Osten Paraguays liegt, ist es Arevalos, seiner Familie und seinen Nachbarn kaum mehr möglich, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Sojaplantagen schießen um sie herum aus dem Boden, die tonnenweise mit Herbiziden besprüht werden, welche die Anwohner krank machen. Die mächtige Nahrungsmittelindustrie unterstützt die Großgrundbesitzer, die Regierung verkauft ihnen Land, lässt sie Urwälder roden, um ihren gentechnisch veränderten Soja in riesigen Monokulturen anzubauen.
Im Publikumsgespräch zeigte sich der engagierte Kleinbauer, der sich aktiv gegen diese Ungerechtigkeiten auflehnt, wie der Film von David Bernet und Bettina Borgfeld eindrucksvoll vor Augen führt, besonders erzürnt gegenüber seinem Präsidenten, Fernando Méndez: „Obwohl wir ihn gewählt hatten, weil er für unsere Rechte eintreten wollte, hat er sich letztendlich als unser Feind erwiesen.“
Ebenfalls anwesend in der Filmpalette war die Journalistin und Ethnologin Steffi Holz, die hierzu ergänzend anmerkte: „Es gibt in Paraguay gute Gesetze zum Umweltschutz. Es ist genau geregelt, welchen Abstand Sojafelder zu Trinkwasserquellen haben müssen und zu welchen Zeiten Herbizide gespritzt werden dürfen – aber in der Realität werden diese nicht beachtet!“ Die Dreharbeiten von Bernet und Borgfeld hatten von Herbst 2008 bis Frühjahr 2009 stattgefunden. Vom Publikum darauf angesprochen, was sich seitdem geändert habe, erläuterte Geronimo Arevalos, die Situation sei noch schlimmer geworden. Mittlerweile gebe es ein „Terroristengesetz“, das die Blockadeaktionen der Landlosen auf den Feldern der Großgrundbesitzer unter noch strengere Strafen stelle.
Alle Beteiligten wiesen darauf hin, dass es wichtig sei, das Bewusstsein um das Unrecht in Paraguay gerade auch hierzulande zu schärfen. „Unser Fleischkonsum ist der Motor für diese Entwicklung“, merkte Bettina Borgfeld an. Dadurch, dass auch wir in Deutschland bei Fleisch besonders gerne auf Billigangebote zurückgreifen, bedingen wir diese Tendenz. Denn diese Preise kommen nur dann zustande, wenn das Mastvieh industriell mit Sojafutter herangezüchtet wird, welches zum überwiegenden Teil in Südamerika auf Großplantagen angebaut wird.
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