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"Stau" von Anouk van Dijk
Jerry Remkes

Pina for ever

25. Februar 2011

"tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren" - Tanz in NRW 03/11

Geschockt sei er gewesen und zu Tränen gerührt, so erzählt Wim Wenders, als er erstmals in den achtziger Jahren das Tanztheater von Pina Bausch erlebt hat. Besonders das Tanzstück „Café Müller“, in dem Pina bis zu ihrem Tod 2009 immer wieder getanzt hat, habe ihn sehr erschüttert. Wie ihm ist es damals vielen gegangen. Man fühlte sich von der Ambivalenz der Gefühle, die ihre Bilder auslösten, regelrecht überwältigt.

In seinem dokumentarischen Film „Pina“, der bei der Berlinale uraufgeführt wurde und seit einer Woche in den deutschen Kinos läuft, bringt Wenders auch das in Erinnerung. Das Bausch-Zitat im Filmtitel „tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren“, klingt wie ein Vermächtnis, das Pina, wie sie viele liebevoll nennen, der Nachwelt hinterlassen hat. Deshalb will der Film sie auch nicht als Erfinderin einer neuen Kunstform vorstellen, sondern lässt die Tänzer über ihre Arbeit mit Pina erzählen. Dazu werden Tanzszenen gezeigt, die im Freien gedreht wurden. Sind damit schon die Grenzen zwischen dem Tanz und der Realität überschritten, so werden mit dem 3-DVerfahren auch die räumlichen Grenzen erweitert.

"Die Ambivalenz der Bilder überwältigt"

Und inhaltlich hatte Pina Bausch ohnehin längst die Begrenzung des Bühnenraums aufgehoben, indem sie die Probleme der Menschen, ihre Sehnsüchte und Ängste auf die Bühne gebracht hat. In ihren Stücken haben sich die Menschen wiedererkannt: liebend, leidenschaftlich, zärtlich, gewalttätig. Menschen wie sie sind, nicht wie sie in einer normierten Gesellschaft sein sollen. Den Film wollten Pina und Wim Wenders gemeinsam drehen. Dann starb sie und Wenders wollte aufhören. Doch die Tänzer drängten ihn, weiter zu machen. Wie gut, denn der 100-minütige Film ist zum beeindruckenden Dokument einer Kunstform geworden. „Mich hat Bewegung als solche vorher nie berührt“, sagt Wim Wenders, „ich habe die immer als gegeben vorausgesetzt. Man bewegt sich eben. Alles bewegt sich. Erst durch Pinas Tanztheater habe ich auf Bewegungen, Gesten, Haltungen, Gebärden, Körpersprache achten gelernt. Und diese dadurch erst achten gelernt“.

Grenzen überschreiten

Eine andere Choreografin, die die traditionellen Grenzen des Theaters aufbricht und die Begrenzung des Bühnenraums mit in ihre Tanzstücke einplant, ist Anouk van Dijk. In ihrem Tanzstück „Stau“, das vom 10. bis 12. März in der Halle Kalk in Köln aufgeführt wird, geht sie sogar noch einen Schritt weiter. Sie sucht nach einer neuen Form der Beziehung zwischen Darsteller und Publikum. Das anfangs begrenzte Bühnenquadrat dehnt und weitet sich zu einem grenzenlosen Raum, in dem sich mit dem Stück auch die Beziehung zum Zuschauer verändert. Spielerisch, humorvoll, bewegend, theatral entwickelt sich die physische Nähe in „Stau“ zu emotionaler Intimität.

Solche Nähe zuzulassen, ist nicht jedermanns Sache. Bei Anouk van Dijk wird anders inszeniert und anders getanzt als bei Pina Bausch. Doch die emotionalen Erfahrungen, die man als Zuschauer macht, sind ähnlich. Es ist seltsam, so die Tanzkritik, dass wir Menschen für diese Erfahrung eine Tanzaufführung brauchen.

„Stau“ I Do. 10.3. - Sa. 12.3., je 20 Uhr I Halle Kalk Köln
www.pina-bausch.de I www.schauspielkoeln.de

Klaus Keil

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