Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.579 Beiträge zu
3.809 Filmen im Forum

Autorin Laurie Penny (rechts) mit Moderatorin Rehzi Malzahn (links)
Foto: David Gruber

Schamlosigkeit als Waffe

15. Juni 2015

Laurie Penny liest am 11.6. im King Georg aus ihrem neuen Buch „Unsagbare Dinge“ – Literatur 06/15

Ungefähr hundert Leute stehen in der Schlange vor der Tür des King Georg und warten auf Einlass. Doch es legt kein angesagter DJ auf, nein, an diesem Abend liest Laurie Penny aus ihrem neuen Buch „Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution.“ vor. Die 28-jährige Autorin gehört zu den bekanntesten Feministinnen der Generation Y – über 100.000 Follower auf Twitter sprechen für sich. Viele der angereisten Gäste müssen daher die Lesung und die anschließende Diskussionsrunde mit einem Bier und einer Zigarette auf dem Gehweg sitzend verbringen. Weil der Club ausverkauft ist, hat das Personal des „King Georg“ freundlicherweise Lautsprecher nach draußen gestellt. Die Autorin will gehört werden.


Viele warteten vergeblich vor dem „King Georg“ auf Einlass, Foto: David Gruber

Und Laurie Penny weiß, wie man sich Gehör verschafft. Gemeinsam mit Moderatorin Rehzi Malzahn, die aus der deutschen Übersetzung des Buches vorliest, wird direkt zu Beginn der Lesung die Bedeutung des Wortes „Schlampe“ erörtert. Für Penny ist der Begriff Teil einer scheinheiligen Kultur, die Frauen zwar als Lustobjekte akzeptiere, im Umkehrschluss jedoch nicht die Lust der Frau. Wieso solle man Frauen den Spaß am Sex verbieten? Die Umdeutung solcher Worte diene nur einem Zweck, und zwar der Kontrolle des weiblichen Geschlechts. Die Aktivistin macht klar: Sie will das Wort wiederhaben. Und so fordert Penny, dass man sich nicht mehr an der Bezeichnung stören solle: „Nutzt die Schamlosigkeit als Waffe. Schämt euch nicht dafür eine Schlampe zu sein.“ Penny setzt bei ihren durchaus starken Ideen vor allem auf eins: Polemik. Ihre schlagfertige und witzige Art kommt beim Publikum jedoch gut an und sorgt direkt zu Beginn für einige Lacher.

Im weiteren Verlauf des Abends zerlegt die Autorin weitere gesellschaftliche Institutionen und legt den Grundstein ihres Standpunktes dar, der größtenteils auf Kapitalismuskritik beruht. Gesellschaftliche Einheiten wie die Ehe und die Familie seien das Fundament des Kapitalismus. Weiterhin bezeichnet Penny das soziale Konstrukt Gender als „Zwangsjacke“ einer patriarchalischen Gesellschaft. Im Gegensatz zu Frauen werde jungen Männern schon früh Macht und Reichtum versprochen, die Wirtschaftskrise habe dieses Konstrukt jedoch in seinen Grundfesten erschüttert, was die jungen Herren wiederum zu „lost boys“, zu verlorenen Jungs mache. Wenn Penny über Männer als testosterongeladene, karrieregeile Macher redet, macht sie es sich jedoch etwas zu einfach und stereotypisiert. Ebenso, als sie darüber spricht, dass man in Großbritannien noch immer vom männlichen Geschlecht erwarte, dass es sich zu einer James Bond-Figur entwickle: ein erfolgreicher, übersexualisierter Held. Ist unsere Gesellschaft tatsächlich so abgestumpft, wie die Autorin glaubt?

Wie wichtig Pennys Aktivismus jedoch ist, zeigt sich in der abschließenden Diskussionsrunde. Ein junger Mann gibt zu, dass er sich an dem Begriff des Feminismus störe. Er würde sich schließlich selbst gerne mehr für die Frauenrechte engagieren, fühle sich aber schon von dem Begriff als Mann ausgeschlossen und benachteiligt. Die junge Autorin bemüht sich höflich zu bleiben und nutzt die Gelegenheit, um einmal mehr deutlich zu machen: Keinen Zentimeter wird sie von ihrer Haltung abweichen. So endet der Abend mit viel Applaus für Penny.

DAVID GRUBER

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Gladiator II

Lesen Sie dazu auch:

Alltag mit Depressionen
Katty Salié liest im Thi-Time

Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24

Archäologie der Zukunft
Gespräch mit Friedrich von Borries in Köln

Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24

Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24

Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24

„Keine Angst vor einem Förderantrag!“
Gründungsmitglied André Patten über das zehnjährige Bestehen des Kölner Literaturvereins Land in Sicht – Interview 10/24

Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24

Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24

Wie geht Geld?
„Alles Money, oder was? – Von Aktien, Bitcoins und Zinsen“ von Christine Bortenlänger und Franz-Josef Leven – Vorlesung 09/24

Zerstörung eines Paradieses
„Wie ein wilder Gott“ von Gianfranco Calligarich – Literatur 09/24

Lektüre für alle Tage
Lydia Davis‘ Geschichtensammlung „Unsere Fremden“ – Textwelten 09/24

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!