Montag, 30. Januar: Am vierten Tag des diesjährigen „Stranger than Fiction“-Festivals, das sich seit nunmehr 25 Jahren spannenden neuen Dokumentarfilmen annimmt, präsentierte Festivalleiter Joachim Kühn im Filmhaus Köln den auch in der Region verorteten Dokumentarfilm „She Chef“. Darin widmen sich die beiden Regisseure Melanie Liebheit und Gereon Wetzel dem Werdegang der österreichischen Kochweltmeisterin Agnes Karrasch, die nach ihrer Ausbildung in verschiedenen Sterne-Restaurants Praktika absolvierte, um ihren beruflichen Feinschliff zu perfektionieren. Über mehrere Monate hinweg ließ sie sich dabei von den beiden Filmemachern mit der Kamera begleiten. Es sollte eine äußerst spannende und unvorhergesehene Reise werden, die den Einfallsreichtum und die Flexibilität von Liebheit und Wetzel immer wieder auf die Probe stellte. Beim anschließenden Publikumsgespräch nach der Präsentation des Films erzählte Wetzel, dass ihm das Thema inklusive der Protagonistin Agnes Karrasch von seinen Produzenten herangetragen wurde. Da er 2010 mit „El Bulli: Cooking in Progress“ bereits einen Dokumentarfilm über Sterne-Köche realisiert hatte, reizte ihn das Thema zunächst nicht sonderlich: „Ich wollte eigentlich keinen Kochfilm mehr machen. Aber hier hat mich der Perspektivwechsel gereizt, da der Film nicht wieder aus Sicht der Chefs erzählt werden sollte, sondern aus der einer jungen Praktikantin.“ Wetzels Co-Regisseurin Melanie Liebheit, die bis dahin keinerlei Berührungspunkte zur Sterne-Küche gehabt hatte, resümierte, dass man im ursprünglichen Konzept eigentlich fünf oder sechs Stationen abdecken wollte, die Agnes Karrasch auf ihren „Wanderjahren als Köchin“ besuchen würde. Dass es am Ende nur drei wurden, war Liebheit aber gerade recht, denn „weniger war hier besser“.
Das Filmkonzept ständig umschreiben
Dass nicht alles nach der vorab skizzierten Drehbuchidee ablief, war u.a. auch der Corona-Pandemie geschuldet. Nachdem Agnes ihre erste Station bei Joachim Wissler in dessen Zwei-Sterne-Restaurant „Vendôme“ in Mönchengladbach absolviert hatte, ging es noch planmäßig weiter nach Barcelona ins „Disfrutar“, das dort seit Jahren zu den besten Restaurants der Stadt gehört. Mit dem ersten Lockdown während der Corona-Pandemie musste natürlich auch das „Disfrutar“ seine Pforten schließen, was auch die Pläne von Karrasch, und damit auch die des Filmteams, durcheinanderwirbelte. Die spontan aus dem Hut gezauberte Notlösung, die Praktikumsreise im „Koks“ auf den Färöer-Inseln fortzusetzen, erwies sich sowohl für die Hauptdarstellerin als auch für die Filmemacher als wahrer Glücksgriff. „Unser Konzept musste auf der Wegstrecke mehrfach umgeschrieben werden“, führte Liebheit weiter aus, da sowohl der finale Abstecher auf die dänische Inselgruppe als auch Agnes‘ Freundschaft zu Dennis Melzer für den Film nicht planbar waren. Letzteren hatte die Praktikantin in der Küche von Joachim Wissler in Mönchengladbach kennengelernt. Der Mann, der dem Film schließlich als eine Art Roter Faden diente, war auch der Überraschungsgast, den Liebheit und Wetzel zum Filmgespräch mitgebracht hatten. Melzer berichtete davon, wie geschmeidig sich die Filmemacher in den hektischen Betrieb der Sterne-Küche eingefügt hätten. „Ab und zu waren auch zuvor schon Filmteams im ‚Vendôme‘ gewesen, die immer sehr präsent waren und um die wir herumtanzen mussten. Bei Melanie und Gereon war es umgekehrt, sie haben sich um uns herumgeschlängelt“, so der Chef de Cuisine des Gourmetrestaurants.
Kleines Filmteam inmitten der Hektik
Melanie Liebheit betonte auch noch einmal, dass es ihnen sehr wichtig gewesen sei, die Abläufe in den Restaurants beim Dreh so wenig wie möglich zu stören und sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Deswegen waren sie zumeist auch lediglich zu zweit vor Ort. Wetzel übernahm die Kameraführung, Liebheit angelte den Ton. Und dennoch: „Unser Equipment lag eigentlich immer irgendwo im Weg herum, weil jede Ecke in solch einem Restaurant ihre Bedeutung hat und irgendwie genutzt wird“, ergänzte Gereon Wetzel. Aus einer immensen Menge an gefilmten Stunden in den Restaurants galt es am Ende einen rund anderthalbstündigen Film zu destillieren. Wetzel merkte hierzu an, dass viele der Szenen allerdings Küchen, Kochen und Hektik abbildeten, wobei die Dialogszenen eher die Ausnahme bildeten. Diese waren aber natürlich für den Film umso wichtiger, da sie Einblicke in das Seelenleben und die Befindlichkeit der Figuren lieferten. „Die repetitive Arbeit in einer Küche gab uns indes die Möglichkeit, Abläufe unter verschiedenen Blickwinkeln mit der Kamera einzufangen und hinterher im Schnitt aneinander zu montieren“, so noch einmal Gereon Wetzel. Herausgekommen ist ein kurzweiliger und informativer Film über die Arbeitsabläufe und Hierarchien in edlen Sterne-Restaurants, der von seinen sympathischen und offenen Protagonisten lebt. Mit dem „Camino Filmverleih“ ist bereits ein Partner für die reguläre Kinoauswertung von „She Chef“ gefunden, die nach derzeitigem Stand im Sommer 2023 erfolgen soll. Das 25. „Stranger than Fiction“-Festival läuft noch bis zum 5. Februar.
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