Es war ein ehrgeiziges Vorhaben, mit dem das Land NRW 2009 angetreten ist, den Tanz in Nordrhein-Westfalen zu pushen und das Label „Tanzland NRW“ neu zu positionieren. Das sollte mit dem „Tanzkonzept 2009“ erreicht werden. Es war ein ausdrückliches Bekenntnis der Kulturpolitik des Landes zur Kunstgattung Tanz, das nicht hoch genug einzuschätzen ist. Herausragendes Merkmal des neuen Tanzkonzepts ist die Spitzenförderung für den freien Tanz. Der Gedanke war großartig: Das Land NRW richtet eine Spitzenförderung für vier künstlerisch herausragende Choreografinnen und Choreografen ein. Die werden für drei Jahre mit 65.000 Euro jährlich gefördert, um sich weiter zu professionalisieren. Die ausgewählten Künstler zählen inzwischen zu den angesagtesten Tanzcompanien der Freien Szene, begeistern mit innovativen Inszenierungsformen und touren als Vorzeige-Projekte erfolgreich in aller Welt. Mit „I‘ve seen it all“ hat Rafaële Giovanola (CocoonDance Bonn) gerade ein ebenso beklemmendes wie einfühlsames Stück über Inzest geschaffen. Stephanie Thiersch (mouvoir Köln) und Ben J. Riepe (Düsseldorf) beschäftigen sich in „Nature morte“ und „Untitled: Natura“ auf ganz unterschiedliche Weise mit der ständig inszenierten Welt und Umwelt. Und Samir Akika (Unusual Symptoms, Münster) geht in „Young&Furious“ den Lebensläufen Jugendlicher nach. Vier Beispiele für gelungene Tanzförderung im Tanzland NRW.
Kurz vor Auslaufen der ersten Förder-Runde 2012 ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Die gute Nachricht zuerst: Die Spitzenförderung für den Tanz geht weiter. Das jedenfalls verspricht Bettina Milz, Referatsleiterin Tanz im Kulturministerium Nordrhein-Westfalen (MFKJKS) – und nimmt bereits wieder neue Bewerbungen an. Und noch eine gute Nachricht: Mindestens eine der bisher geförderten Spitzencompanien soll in eine sogenannte „institutionelle Förderung“ aufgenommen werden, sprich: Sie soll dauerhaft gefördert werden. Aber wie üblich folgt die schlechte Nachricht auf dem Fuße. Für bis zu drei der Spitzencompanien werden demnächst keine Fördermittel mehr fließen. Kein Wunder, dass diese Gemengelage zu Verunsicherungen führt. Eine undurchsichtige künstlerische Evaluierung tut ihr Übriges. Für Ben J. Riepe kein Grund sich zu sorgen. „Wer kennt sich da wirklich aus und ist nicht befangen? Ich mache weiter wie bisher“, sagt er mit Blick auf seine extravaganten Inszenierungen. Stephanie Thiersch hofft, dass die künstlerischen Experimente von mouvoir „angemessen beachtet und gewürdigt werden“. Bei CocoonDance, so Rainald Endraß, hat die Spitzenförderung zu künstlerisch komplexeren Recherchephasen für die narrativen Stücke geführt. Steht diese enorme künstlerische Aufbauarbeit nun auf der Kippe? Beginnen die „nachhaltigen Impulse“, die das Tanzkonzept 2009 setzen wollte, zu bröckeln? Grundsätzliche Kritik an dem Förderkonzept, das nun einen Teil der Geförderten im Regen stehen lässt, wird in der Tanzszene ohnehin nur unter vorgehaltener Hand geäußert – schließlich will sich niemand Chancen auf eine Förderung oder Weiterförderung verbauen. Demokratische Transparenz sieht anders aus.
www.mouvoir.de I www.cocoondance.de I www.benjriepe.com I www.samirakika.com
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