Donnerstag, 28. September: Bereits seit 25 Jahren ermöglicht es FilmInitiativ Köln, zeitgenössische afrikanische Filme in Anwesenheit zahlreicher Filmemacher in der Domstadt auf der großen Leinwand zu genießen. Alternierend mit dem „Festival Jenseits von Europa – Neue Filme aus Afrika“ findet in diesem Jahr zum 15. Mal das „Afrika Film Festival Köln“ statt. Zu den 80 projizierten Filmen sind auch 30 Gäste anwesend, einen Fokus hat man dabei 2017 auf „Landgrabbing & Migration“ gelegt. Festivalleiter Karl Rössel wies bei seiner Einführung darauf hin, dass der von Großkonzernen durchgeführte Landraub auch für deren Kritiker etliche Gefahren birgt, da sie mit ihrem Widerstand Millionengeschäfte zu verhindern drohen und deswegen von den Profiteuren derselben häufig aus dem Weg geräumt werden. Nicht immer sitzen die Urheber des Landraubs im europäischen oder amerikanischen Ausland. Schon „Africa for Sale – Ein Kontinent vor dem Ausverkauf“ des aus Benin stammenden Regisseurs Idrissou Mora-Kpai hatte einige Tage zuvor auf dem „Afrika Film Festival Köln“ deutlich gemacht, dass es auch internes Landgrabbing gibt, bei dem sich die eigene Elite eines Landes über dessen traditionelle Landrechte hinwegsetzt, um sich selbst zu bereichern.
Darum geht es auch in Soraya El Kahlaouis selbst finanziertem Dokumentarfilmdebüt „Landless Moroccans“, der sich mit dem unrechtmäßigen Landraub durch die Regierung in Douar Ouled Dlim nahe der marokkanischen Hauptstadt Rabat auseinandersetzt. Im Februar 2014 rissen von Polizeitrupps bewachte Bulldozer die Häuser der dort lebenden Nachkommen des Volksstamms der Guich nieder, denen das Land einstmals vom Sultan übergeben worden war. Es sollte eine Neubausiedlung entstehen, in der für die rechtmäßigen Besitzer des Landes aber weder Platz noch eine angemessene Entschädigung vorgesehen war. Jahrelang zog sich der Kampf der Entrechteten hin, den El Kahlaoui selbst über zwei Jahre mit ihrer Kamera begleitete. Die Regisseurin wollte darüber ursprünglich gar keinen professionellen Film drehen, war angesichts der in Douar Ouled Dlim herrschenden Ungerechtigkeiten aber dermaßen verärgert, dass sie sich an die Recherchen machte und das Schicksal der obdachlos gewordenen Familien dokumentierte. „Trotz wohlwollender Medienberichterstattung hat sich die Situation der verbliebenen Familien vor Ort bis heute nicht geändert, acht Familien leben dort nach wie vor in einer provisorischen Zeltstadt“, erläuterte die Filmemacherin in Köln. „Landless Moroccans“ wurde schon mit Erfolg in Frankreich aufgeführt, hat aber bislang, abgesehen von einer Aufführung auf dem Filmfestival in Agadir, noch keine Vermarktungsrechte in Marokko. Vielleicht liegt das auch an der Tatsache, dass der marokkanische Staat zusammen mit den Immobiliengesellschaften enorm viel Geld mit der Neubausiedlung verdient und nicht daran interessiert ist, dass die damit einhergehenden Ungerechtigkeiten weiter publik gemacht werden.
Soraya El Kahlaoui glaubt sogar, dass Marokko die Entrechteten absichtlich straft, weil diese demonstriert haben und mit ihrem Fall an die Presse gegangen sind. Würde man ihnen nun Recht geben, würde man einen Präzedenzfall schaffen, was mit allen Mitteln verhindert werden soll. In ihrem Heimatland gäbe es derzeit über 400 politische Gefangene, die im Zusammenhang von Protesten gegen ihre Enteignungen von der Regierung inhaftiert wurden. Einige von ihnen befinden sich nun schon seit Wochen im Hungerstreik und somit in akuter Lebensgefahr, weswegen es umso dringlicher sei, dass die Weltöffentlichkeit von diesen Missständen in Marokko erfahre. Karl Rössel ergänzte, dass sich die Situation bezüglich des Landraubs in vielen afrikanischen Ländern ähnele, weil es selten amtliche Dokumente oder Registrierungen gäbe, sondern Land über Generationen hinweg weitervererbt würde. Sobald dieses Land aufgrund von Bodenschätzen oder Bebauungsmaßnahmen wertvoll für andere würde, setze man sich schnell über derartiges Erbrecht hinweg. Vom Publikum auf die merkwürdig erscheinende Tatsache angesprochen, dass viele ihrer InterviewpartnerInnen in ihren Aussagen auch stets den König preisen, erläuterte El Kahlaoui: „Marokko ist ein Polizeistaat. Die Menschen dort sind verletzlich, weil weder Gewerkschaften noch Parteien hinter ihnen stehen. Würden sie etwas gegen den König sagen, würde sich eine Gefängnisstrafe schnell auf über 20 Jahre erhöhen. Deswegen machen die Betroffenen immer zunächst klar, dass sie für den König sind, aber trotzdem für ihre Rechte kämpfen wollen.“
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