Er ist ein Handlungsreisender zwischen Fantasie und Realität: Stephan Martin Meyer lebt täglich kreatives Künstlerschaffen und nüchterne Selbstverwaltung. Als Buchautor erschafft er neue Welten, doch die Matrix dafür überwacht er mit strikten Bauplänen am Schreibtisch seines Gemeinschaftsbüros in der Kölner Südstadt. Nach der Veröffentlichung einiger Kindersachbücher im renommierten Gerstenberg-Verlag konzentriert sich der gebürtige Niedersachse momentan auf erotische „Gay Romances“ für Erwachsene. Im choices-Interview spricht der 48-Jährige über Authentizität, Tabus und Toleranz.
choices: Herr Meyer, Sie haben in der Vergangenheit erfolgreich Kindersachbücher über Zeppelinflüge, ein Autorennen von Peking nach Paris oder über das Renaissance-Genie Leonardo da Vinci geschrieben. Nun publizieren Sie Geschichten über Gay Romances. Wie kam es zum literarischen Umbruch?
Stephan Martin Meyer: Zunächst einmal, ich schreibe nicht über schwule Römer. Das hat nichts mit der Antike zu tun. Darauf bin ich tatsächlich öfters angesprochen worden – können Sie sich das vorstellen? Die Hauptfrage für mich war, wie schreibt man über Sex? Das hat mich an einem bestimmten Lebenspunkt so beschäftigt, dass ich darauf Antworten finden wollte.
Und?
Das ist immer noch nicht leicht zu beantworten. Der wichtigste Aspekt ist, den Mut aufzubringen und es einfach zu versuchen. Mit jeder Szene, die ich in der letzten Zeit geschrieben habe, bin ich besser geworden und habe mich mehr getraut. Und natürlich – wie bei allen ungewohnten Arten zu schreiben – habe ich bei den Kolleg:innen nach Beispielen gesucht. Ich probiere mich aus und lerne ständig dazu.
Warum veröffentlichen Sie unter dem Pseudonym „Stephano“?
Weil ich eine klare Trennung zwischen dem Kinderbuchbereich und den Gay Romances machen möchte. Ich will da nicht für Irritationen sorgen. Ich habe mich für ein offenes Pseudonym entschieden, mache da also kein Geheimnis draus. Mit „Stephano“ will ich eine Marke mit klarem Wiedererkennungswert erschaffen. Das gilt auch für die Cover, die alle ähnlich gestaltet sind.
Sie arbeiten als Schriftsteller in einem Kunst-Atelier. Wie sieht hier, unter Maler:innen, Fotograf:innen und Skulpteur:innen Ihr Arbeitstag aus?
Relativ durchgetaktet. Ich starte jeden Tag gegen 10 Uhr. Ich bin froh, dass ich nicht alleine von zuhause arbeite, denn ich brauche den räumlichen Abstand zwischen dem Privatleben und der Arbeit. Ich genieße es, mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren und im Büro mit den Kolleg:innen zu plaudern oder gemeinsam Kaffee zu trinken. Ich mag das Stadtviertel. Ich habe jedoch klare Arbeitsabläufe. Vormittags überarbeite ich, was ich am Tag zuvor geschrieben habe. Dann entwickele ich neue Ideen. Es hat ein bisschen was von einem 9 to 5 Job. Mitunter stelle ich auch nach zwei Stunden fest, dass nichts läuft. Dann mache ich die Steuer, Buchlayouts oder Buchsatz gegen Honorar für andere Autor:innen. Neben der Schriftstellerei arbeite ich als freier Graphiker.
Nochmal zurück in die Vergangenheit: Jugendliche und sogar Kinder kommen mit Sexualität bereits über die unzähligen Internet-Porno-Seiten in Kontakt. Könnten Sie sich vorstellen, erotische Stories für junge Menschen zu schreiben?
Das ist ein schwieriges Thema. Erotische Literatur für Jugendliche wird keinen Markt haben. Das ist etwas, was man sehr vorsichtig angehen muss. Ich habe in einem meiner Jugendromane erotische Szenen eingebaut und lange mit der Lektorin diskutiert, wie deutlich ich werden kann. Ich befürchte, ich würde einen Aufschrei des Widerstands hervorrufen, wenn ich das täte. Ich konnte eine Geschichte nicht als E-Book veröffentlichen, weil man mittels eines KI-Programms feststellte, dass einer der Protagonisten noch keine 21 Jahre alt war. Die Figuren müssen scheinbar älter sein. Die Ablehnung hat mich sehr erschreckt. Es kann sein, dass dies etwas mit Amazon und dem amerikanischen Recht zu tun hat, nach dem man erst mit 21 Jahren als volljährig gilt.
Gibt es für Sie als Schriftsteller denn Tabuthemen?
Ja, alles was über Sado-Maso, BDSM etc. geht, weil es mich nicht interessiert und ich es nicht reizvoll finde. Mir geht es in erster Linie um die Entwicklung von Menschen. Ich kann nicht über Hetero-Themen schreiben. Mir fehlt einfach die körperliche Erfahrung der Frau.
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