Freitag, 4. Februar: Noch bis zum 6. Februar findet in insgesamt acht Städten in Nordrhein-Westfalen das 24. Dokumentarfilmfestival „Stranger Than Fiction“ statt, bei dem in 18 Programmen die Vielfalt aktuellen dokumentarischen Filmschaffens beleuchtet wird. Zu etlichen der Projektionen sind auch wieder Filmschaffende vor Ort, um im Anschluss mit dem Publikum über ihre Arbeit zu sprechen. Im Rahmen der Reihe „Dokumentarfilme aus NRW“ gelangte am Freitagabend im Filmhaus Köln Julius Dommers 2. Projektarbeit während seines Studiums an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM), „La Cen (Das Kraftwerk)“, zur Aufführung, das im November 2021 seine Premiere bei den Nordischen Filmtagen Lübeck gefeiert hatte. Der Film war in den Jahren 2015/16 entstanden, als Dommer an einem mittlerweile eingestellten Austauschprogramm zwischen der KHM und der Escuela Internacional de Cine y Televisión (EICTV) in Havanna teilgenommen hatte. Wie der Filmemacher im Anschluss an die Projektion der Moderatorin Sonja Hofmann in Köln erzählte, lag seinerzeit der Schwerpunkt nicht darauf, viel Zeit an der Filmschule selbst zu verbringen, sondern stattdessen das Land Kuba zu bereisen und beim mindestens sechsmonatigen Aufenthalt selbst für sich zu entdecken.
Ruinen eines Jahrhundertbauwerks
Bei einem Halt in der Bucht von Cienfuegos entdeckte Julius Dommer schließlich am Horizont des gegenüberliegenden Ufers die Silhouette eines imposanten Gebäudekomplexes, bei dem es sich um ein Observatorium hätte handeln können. Im Gespräch mit einigen Einheimischen erfuhr der Regisseur allerdings, dass es sich dabei um die Kuppel eines nie zu Ende gebauten Atomreaktors handelte, eines Prestigeobjektes von Fidel Castro. Der kubanische Revolutionär und Diktator hatte dort in den 1980er Jahren die Planstadt „Ciudad Nuclear“ (Atomstadt) rund um ein Atomkraftwerk bauen lassen, das zusammen mit elf weiteren Reaktoranlagen für die Stromunabhängigkeit des Landes hätte sorgen sollen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion blieb aber dieses „Bauwerk des Jahrhunderts“ unvollendet und bildet nun die gespenstische Kulisse einer weitgehend entvölkerten Geisterstadt. 15.000 Menschen leben in der aus drei Ortsteilen (u.a. „Ciudad Nuclear“) bestehenden Stadt, die Julius Dommer schließlich zum Mittelpunkt seines deutsch-kubanischen Filmprojektes machte. Die eigentliche Reaktoranlage ist militärisches Sperrgebiet, aber dem Filmemacher war es gelungen, auf der Straße Kontakt mit Anwohnern zu knüpfen, die bereitwillig über sich und das außergewöhnliche Bauprojekt berichteten. Über einen theaterbegeisterten Kubaner knüpfte Dommer den Kontakt zu den meisten seiner vier Hauptprotagonisten. Zu ihnen zählt die Exil-Tschechin Eva, bei der er auch übernachten konnte, was insofern überaus hilfreich war, weil es in der gesamten Region keinerlei Hotels oder Pensionen gibt. „Das war eine Grauzone, denn Kubanern ist es eigentlich nicht erlaubt, privat Übernachtungsgäste bei sich aufzunehmen. Da Eva Tschechin ist, fühlten wir uns da etwas sicherer“, so der Regisseur. Über seine Zimmerwirtin lernte er weitere spannende Originale kennen, von denen es allerdings nicht alle in den fertigen Film geschafft haben.
Rund 80 Stunden Rohmaterial
Denn nach seiner Rückkehr nach Deutschland saß Julius Dommer vor einem Berg an Material, zwischen 70 und 80 Stunden, die er größtenteils im Alleingang als sein eigener Kameramann auf Kuba gedreht hatte. Mit Hilfe der KHM-Projektbetreuerin Rita Schwarze gelang es ihm schließlich, das Material zu ordnen und dramaturgisch durchzustrukturieren. Schwarze war es auch, die dem Filmemacher nahelegte, „La Cen“ trotz seines Potenzials nicht beim bekannten Filmfestival in Havanna einzureichen. Denn einige seiner ProtagonistInnen hatten sich vor Dommers Kamera sehr unverblümt geäußert, teilweise wohl auch nur aufgrund der Zusicherung, dass der Film später auf Kuba nicht zu sehen sein wird. Moderatorin Sonja Hofmann, die in den 1990er Jahren ebenfalls eine Zeit auf Kuba verbracht hatte, konnte mit den Bildern aus „La Cen“ nahtlos an ihre damaligen Erfahrungen anknüpfen. Nach wie vor steht den Bewohnern in der Regel nur einmal am Tag in ihren Wohnungen fließendes Wasser zur Verfügung, und auch Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Dommer beeindruckte vor allen Dingen, wie seine InterviewpartnerInnen, die oftmals auch finanziell nicht sonderlich gut gestellt sind, mit ihrem Leben zurechtkommen. „Viele arbeiten in mehreren Jobs, um über die Runden zu kommen. Und auch angesichts der sehr bescheidenen Renten ist Kreativität gefragt, wenn man überleben will. Trotzdem haben alle die Mentalität, sich nicht unterkriegen zu lassen. Diese sehr positive Einstellung habe ich dort bei den meisten Menschen beobachtet“, fasste der Regisseur seine Erfahrungen auf Kuba zusammen.
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