Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
28 29 30 31 1 2 3
4 5 6 7 8 9 10

12.581 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Martin Baumeister im Café Fleur
Foto: Mario Frank

Talente in Sicht

29. Oktober 2018

Lesereihe „Land in Sicht“ im Café Fleur – Literatur 11/18

Seit 4 Jahren gibt die Lesereihe jungen Literaten nun schon die Möglichkeit ihre Werke in der einzigartigen Atmosphäre des Café Fleur auf die Bühne zu bringen. Simples Mobiliar und Kronleuchter, die von hohen Decken baumeln, sorgen für gemütliches Licht und Wohnzimmer-Gefühl. Unter der bunten und sorgfältig ausgewählten Mischung der Lesenden finden sich neben preisgekrönten jungen AutorInnen hin und wieder auch Neuentdeckungen, die nach vorherigem Einsenden ihrer Texte von den Veranstaltern eingeladen wurden.

Den Veranstaltern Mario Frank, Kevin Kader, André Patten und Melissa Steinsiek-Moßmeier ist wichtig, dass es nicht langweilig wird: Nicht mehr als fünfzehn bis zwanzig Minuten dauern die jeweiligen Lesungen, dabei soll es stilistisch abwechslungsreich bleiben – mit „süffiger Lyrik neben verkopften Essays“, so Veranstalter Kevin Kader. Und das ist ihnen mit dem Ensemble der Oktoberausgabe (26.10.) wieder einmal erfolgreich gelungen:


Mitveranstalter Kevin Kader, Foto: Mario Frank

Den Auftakt machte diesmal Martin Baumeister (*1991) aus Köln mit der Anfangsgeschichte des Romans an dem er gerade schreibt. Der Student der Kunsthochschule für Medien, Absolvent der Literaturwissenschaften und Philosophie, schreibt neben Prosa auch für Theater und Film. Sein Text spielt in der Zeit von der einen Morgenzigarette bis zur nächsten – und handelt von allem was dazwischen passiert. Erschreckend ehrlich geht es um das Leben in der Großstadt, das manchmal grau sein kann und stinkt, die Kippe am Morgen, die wehtut aber trotzdem geraucht wird, es geht um Rausch, um Einsamkeit, Ekstase, ins Schwanken kommen, weitertanzen, es geht um ganz viel Schmerz, Geldsorgen und so etwas wie Liebe. In rasend schnell voranschreitenden Sätzen, und ebenso schnell gelesen, zog Martin die Zuhörer mit, durch die Straßen Kölns, ins Autonome Zentrum, in den Rausch und wacht schließlich zusammen mit ihnen verkatert in der Studentenwohnung des Protagonisten auf.

Weiter ging es mit dem ehemaligen Musikjournalisten und Mitgründer des Kölner Musiklabels „Baumusik“, Sebastian Ingenhoff, der aus dem zweiten Teil seines aktuellen Romanprojekts „Ghosting“ las. Der Text hatte in der Tat etwas Geisterhaftes, Sebastian selbst ordnet seinen Roman irgendwo „zwischen Mystery und Surrealismus“ ein. Der Romanauszug setzte in der Mitte des Romans nach einem Flugzeugabsturz ein. Zwei Unbekannte treffen sich auf einem fernen Planeten. Ein Dialogpingpong, humorvoll, frech. Schmunzeln ging durch den Saal. Etwas orientierungslos am Anfang, begann man als Zuhörer langsam die Skizze der Handlung zu erahnen. Aber es blieb spannend.

Den weiten Weg aus Berlin angereist kam Theresa Pleitner (*1991) mit einem Auszug aus ihrem Essay „Was hier waltet“ in dem sie Eindrücke aus der Mitarbeit in einer Flüchtlingsunterkunft verarbeitete. In Theresas eleganter, fast schon poetischer Prosa merkte man ihr das vorherige Studium im literarischen Schreiben und der Psychologie an. Die zierliche Berlinerin zeichnet mit detaillierten Beschreibungen die Umstände in einer Asylunterkunft: die Machtstrukturen, das Gefühl der Befangenheit, des Freiheitsentzuges, die Kälte des Rechtsystems. Es wurde nachdenklich. Es wurde traurig. Die Blicke der Zuschauer wanderten durch den kerzenbeleuchteten Raum und für einen Moment war es noch stiller im Café als zuvor.


Foto: Mario Frank

Die ernst gewordenen Gesichter entspannten sich sogleich wieder als Neu-Kölner Martin Becker (*1982), der das Schlusslicht des Abends bildete, souverän die Titelgeschichte seines in Kürze erscheinenden fünften Romans „Warten auf Kafka. Eine literarische Seelenkunde Tschechiens“ las. Der neue Roman des bereits erfahrenen Autors, Kritikers und Regisseurs ist inspiriert von der eigenen Liebe zu Prag. Es war leicht sich in den Sehnsüchten und Träumereien des Protagonisten wiederzufinden: die hoffnungsvollen Gedanken, die in einer osteuropäischen Großstadt entstehen, das unermüdliche Warten auf die ganz große Wendung des Schicksals. Das alles durchzogen von spritzigen Dialogen und humorvollen Satzneufindungen („Unter dem Wirt sind alle gleich“).

Leises Lachen hier und dort, der zweite Wein tat den Rest – aber leider war es dann auch schon wieder vorbei. Am Ende des Abends war die Luft warm und getränkt mit Worten und bunt schillernden Metaphern. Die Augen einiger Besucher glänzten beim Hinaustreten in die kühle Oktobernacht – bis zum nächsten Mal!

Land in Sicht | Do 15.11. 20 Uhr | Café Fleur | www.landinsicht.koeln

Sophie Mallmann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Alter weißer Mann

Lesen Sie dazu auch:

Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24

Abschied in Istanbul
Fatma Aydemir liest in Köln

(Staats-) Affäre
Lesung im Comedia Theater

Archäologie der Zukunft
Gespräch mit Friedrich von Borries in Köln

Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24

Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24

„Keine Angst vor einem Förderantrag!“
Gründungsmitglied André Patten über das zehnjährige Bestehen des Kölner Literaturvereins Land in Sicht – Interview 10/24

Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24

Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24

Wie geht Geld?
„Alles Money, oder was? – Von Aktien, Bitcoins und Zinsen“ von Christine Bortenlänger und Franz-Josef Leven – Vorlesung 09/24

Zerstörung eines Paradieses
„Wie ein wilder Gott“ von Gianfranco Calligarich – Literatur 09/24

Lektüre für alle Tage
Lydia Davis‘ Geschichtensammlung „Unsere Fremden“ – Textwelten 09/24

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!