Dass Düsseldorfs Tanz-Fans seit Jahren von der choreografischen Vielfalt und Produktionsfreude der Kölner Tanzszene profitieren, ist auch dem aufmerksamen Düsseldorfer Beobachter hinlänglich bekannt. Kaum ein Monat vergeht, ohne dass auf dem Spielplan des Tanzhaus NRW in Düsseldorf nicht auch Kölner Choreografinnen zu finden sind. Ob Britta Lieberknecht, Silke Z., Barbara Fuchs oder Stephanie Thiersch (um nur einige zu nennen): Sie alle sind längst ständiger Teil des Tanzhaus-Programms. Selbst die allerkleinsten Zuschauer profitieren davon. Wo hat Barbara Fuchs ihr herrliches Kinderstück „Kopffüßler“ zuerst aufgeführt? In Düsseldorf. Und wo wird Stephanie Thiersch zum Auftakt des Jahres 2011 ihr neues Tanzstück „as if (we would be)”präsentieren? Natürlich in Düsseldorf.
Fast jede Kölner Uraufführung findet also in Düsseldorf statt. Das ist nicht verwunderlich, denn Produktionsstätten wie das Tanzhaus NRW in Düsseldorf (aber auch PACT Zollverein in Essen oder der Ringlokschuppen in Mülheim) sind für alle Tanzschaffenden ohne eigenes Haus als Kooperationspartner sehr attraktiv. Dort stehen die erforderlichen Ressourcen wie Proberaum, Technik und Licht zur Verfügung. Man wird beraten und teils finanziell gestützt. Für die Kölner Tanzszene ist das Tanzhaus NRW in Düsseldorf damit zum wichtigsten Kooperationspartner geworden. Köln selbst gewährt seinen Tanzschaffenden allenfalls finanzielle Zuschüsse. Das Dauer-Dilemma des fehlenden Tanzhauses in Köln sorgt derweil in Düsseldorf für kulturellen Auftrieb. Das freut die Leitung des Düsseldorfer Tanzhauses schon deshalb, weil man seinem Auftrag – die nordrhein-westfälische Tanzszene angemessen zu berücksichtigen – sonst nicht gerecht werden könnte. Immerhin kommt die Hälfte aller Tanzschaffenden aus Köln. Wenn also das NRW-Landesbüro Tanz feststellt, dass die Attraktivität von Düsseldorf als Tanzstadt in den letzten zwei Jahren um 25% zugenommen hat, dann ist dies auch auf die Abwanderung von Köln nach Düsseldorf zurückzuführen. Die Tanzachse Köln – Düsseldorf steht, und sie steht stabil. Alle Beteiligten profitieren von ihr, solange die Stadt Köln ihre Tanzszene nicht „fördert und fordert“, sondern nach dem kölschen „Wat fott es, es fott“ eher fallen lässt.
Spitzencompagnien wie „mouvoir“unter der Leitung von Stephanie Thiersch werden also weiter gern gesehene Uraufführungsgäste in Düsseldorf bleiben. Immerhin gehört Thiersch zu den besten Choreografinnen der NRW-Tanzszene. In ihrer Tanzmontage „as if (we would be)“, gemeinsam inszeniert mit der Video-Künstlerin Angela Melitopoulos, gehen zeitgenössischer Tanz und Filmeinspielungen eine sich präzise ergänzende Verbindung ein. Großartig, wie szenische Formen und tänzerische Formationen wechseln, anfangs oft unmerklich sich verändern, ineinander fließen und – nachahmend – neue Formen bilden. Inhaltlich fragt das Stück nach Funktion, Bedeutung und Wirkung von mimetischen (nachahmenden) Erfahrungen. Stephanie Thiersch bewegt sich damit wieder im unerschöpflichen Forschungsbereich menschlicher Kommunikation. Uraufführung im Tanzhaus NRW Düsseldorf ist am Wochenende 15./16. Januar. Übrigens: Die Kölner Tanzfans konnten das Stück bereits im November als „Preview“ in einer Voraufführung erleben. Man muss nur einen Weg finden ...
www.mouvoir.de I www.tanzhaus-nrw.de
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