Samstag, 30. Januar: Der Zeitpunkt für die Sondervorstellung des aktuellen Dokumentarfilms von Bettina Blümner („Prinzessinnenbad“) war in der 15-Uhr-Schiene am Samstag im OFF Broadway sehr bewusst gewählt. Immerhin geht es in „Parcours d’amour“, der im Juni 2015 bundesweit in die deutschen Kinos kam, um Tanzteeveranstaltungen in Paris, die zu dieser Uhrzeit stets in vollem Gange sind. Der Film wurde in Kooperation mit dem Institut français in Köln gezeigt, und dessen Kulturbeauftragte Sabine Keller moderierte das Gespräch mit der eigens angereisten Filmemacherin aus Berlin. Genau wie einige Zuschauer fand es auch Keller zunächst etwas verwunderlich, dass Blümner als Deutsche einen Film auf Französisch über eine Seniorentanzveranstaltung in Paris realisiert hatte. Aber die Regisseurin hatte dafür gleich mehrere Erklärungen parat. Zum einen habe sie sehr frankophile Eltern, die in ihr schon früh die Faszination für unser westliches Nachbarland geweckt hätten. Zum anderen sei sie in der elften Klasse für ein Austauschjahr in Frankreich gewesen und hätte aus dieser Zeit noch etliche Freunde, die in Paris lebten.
Auf das Phänomen der Tanztees und der Taxiboys, bei denen es sich um Männer handelt, die allein stehende Frauen als Tanzpartner stundenweise mieten können, war Blümner allerdings während eines Auslandssemesters in Kuba zur Zeit ihres Filmhochschulstudiums aufmerksam geworden. Als sie danach mal wieder in Paris zu Besuch war und sich im Tanzsalon „Memphis“ gegenüber ihrer Unterkunft am frühen Nachmittag lange schlangen Einlass begehrender Senioren bildeten, war ihre Neugier geweckt. Die Filmemacherin begab sich selbst in das Etablissement und fasste schon recht schnell den Entschluss, über das Milieu und das faszinierende Klientel einen Film zu drehen. Bei ihren Recherchen in den zehn bis fünfzehn Pariser Locations stieß sie in den kommenden Wochen immer wieder auf die gleichen Personen, die nach und nach ihre Scheu verloren und sich der Regisseurin öffneten. „Ich habe zuerst den Taxiboy Michel kennengelernt und mit ihm Kontakt gehalten, bis wir die Finanzierung für den Film zusammenhatten“, so Blümner. Das war in diesem Fall gar nicht so einfach, und der tatsächliche Entstehungsprozess von der ersten Filmidee bis zum fertigen Film zog sich über sieben bis acht Jahre hin. In der Zwischenzeit waren einige der Tänzerinnen und Tänzer, die die Filmemacherin bereits intensiver kennengelernt hatte, schon nicht mehr auf der Tanzfläche aktiv, weswegen sie eine zweite Recherchephase durchlaufen und neue Interviewpartner für ihr Projekt gewinnen musste.
Neben dem professionellen Taxiboy Michel stehen in „Parcours d’amour“ nun zwei weitere männliche und zwei weibliche Senioren im Mittelpunkt, die die Tanztees dazu nutzen, um neue Bekanntschaften zu machen, ihren Lebensabend nicht alleine verbringen zu müssen oder einfach mal wieder mit Freude das Tanzbein zu schwingen. Sie alle zeigten sich vor Blümners Kamera äußerst redselig. „Die Konversationen haben sich meist verselbständigt, weil die Personen sich ohnehin immer über diese Themen unterhalten haben“, erläuterte die Regisseurin. Im Schnitt habe sie dann anschließend nur noch ausgewählt, was sie für ihren Film als interessant erachtete. Erstaunlich fand sie dabei die Parallelen, die zwischen den Senioren und den Teenagern auszumachen waren, die Blümner zuvor in „Prinzessinnenbad“ porträtiert hatte. In beiden Fällen, und somit ungeachtet des Alters der Protagonisten, sei es in erster Linie um Flirts und die Suche nach Nähe und Liebe gegangen. Obwohl „Parcours d’amour“ bereits 2014 seine Uraufführung erlebte und im vergangenen Sommer dann bundesweit in die Kinos kam, wird er erst im Sommer 2016 in Frankreich anlaufen. Darauf freut sich Blümner nun ganz besonders, weil sie den Film dann erstmals zusammen mit ihren Protagonisten auf der Leinwand erleben wird.
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