Donnerstag, 15. September: In den 30 Jahren seines Bestehens hat sich das Afrika Film Festival Köln zu einer festen Größe in der deutschen Filmfestivallandschaft gemausert. Jahr für Jahr lockt das Festival mit einer enormen Bandbreite aktuellen Schaffens vom afrikanischen Kontinent ins Kino, wo viele der Deutschland- oder Europa-Premieren der Filme in Anwesenheit der Filmemacher:innen stattfinden. Das Festival im Jubiläumsjahr legt einen Fokus auf „Zukunftsvisionen“. Nach einer von Schirmherr Fradique moderierten Eröffnungszeremonie mit Livemusik von Melane und Colin Laroche de Féline wurde als Eröffnungsfilm „Vuta N’Kuvute (Tug of War)“ des aus Tansania stammenden Filmemachers und Universitätsdozenten Amil Shivji gezeigt, der zunächst einen Blick zurück warf in die 1950er Jahre, als Tanganjika und Sansibar noch zwei separate Staaten waren und unter der Knute der Mandatsmacht Großbritannien standen. Shivjis Film basiert auf dem gleichnamigen Swahili-Roman von Shafi Adam Shafi, der in Sansibar geboren wurde und genau wie der Regisseur in Dar es Salaam in Tansania lebt. Für Amil Shivji war die Einladung des Festivals nach Köln nichts Neues, er ist dieses Jahr bereits zum dritten Mal mit einem seiner Filme in der Domstadt mit dabei. Bei der Einleitung vor der Filmprojektion merkte er an, dass Sansibar sehr weit weg von Köln sei, dass er sich hier aber immer sehr willkommen fühle und eine große Solidarität spüre, was ihn sehr glücklich mache. „Tug of War“ sei eine filmische Liebeserklärung an seine Großeltern, die lange für ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit gekämpft hätten.
Kolonialismus gegen Kommunismus
„Tug of War“ erzählt von der Inderin Yasmin, die sich in den 1950er Jahren in den rebellischen Afrikaner Denge verliebt, der die Vormachtstellung der Briten nicht länger hinnehmen will. Er rebelliert mit kommunistischen Flugblättern gegen die Besatzer, während sich Yasmin von den Fesseln einer Zwangsehe mit einem dreimal so alten Inder befreit und mit Denge eine stürmische Affäre beginnt. Beim anschließenden Filmgespräch, das die in Köln lebende Historikerin und Community-Aktivistin Rahab Njeri moderierte, erläuterte Shivji, dass der Kolonialismus-Widerstand durch den Kommunismus seinerzeit eher gering gewesen wäre, denn „die kommunistische Partei in Sansibar war damals ziemlich schwach“. Stattdessen sei der soziale Widerstand sehr zersplittert gewesen. Es waren die Araber, die sich gegen die britischen Besatzer auflehnten, wohingegen die afrikanischen Ureinwohner eher gegen den arabischen Sultan revoltierten, am Kolonialismus aber festhalten wollten. Schon Shafi Adam Shafis Romanvorlage habe allerdings die Bedeutung des Kommunismus übertrieben, um auf diese Weise vom Klassenkampf jener Zeit zu berichten, ohne auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der Gruppierungen im Land eingehen zu müssen. Amil Shivji hatte schon früh den Wunsch, „Vuta N’Kuvute“ zu verfilmen und bemühte sich bereits 2016 um die Rechte. Sein erster Drehbuchentwurf blieb nach seiner eigenen Aussage allerdings viel zu sehr der Romanvorlage verhaftet, weswegen eine filmische Umsetzung allzu kompliziert und lang geraten wäre. In einem zweiten Entwurf sei es ihm dann gelungen, sich vom heißgeliebten Roman beherzter zu lösen, etliche Figuren zu streichen und sich auf die Kernaussage zu beschränken, die nach Meinung des Filmemachers auch heute noch Relevanz hat.
Jenseits der Touristenattraktionen
Auch hinsichtlich der Locations, die bei den Dreharbeiten seines Films Verwendung fanden, hatte Shivji klare Vorstellungen. „Ich bin es leid, wie Sansibar immer wieder dargestellt wird. Für mich ist die Insel weit mehr als eine Touristenattraktion, für mich ist sie der Geburtsort des Widerstandes in Tansania“, so der Filmemacher in Köln. Sansibar sei in den 1950er Jahren entwickelter gewesen als das Festland, denn dort hätten gebildetere Menschen gelebt, die durch ihre Reisen ins Ausland Zugang gehabt hätten zu anti-kolonialen Ideen, die sie dann auch in Sansibar weiterverbreitet hätten. Viele Menschen würden mit Sansibar Stone Town verbinden, den ältesten Stadtteil von dessen gleichnamiger Hauptstadt, der im Jahr 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Doch der eigentliche Widerstand hätte sich damals in Ng’ambo formiert, der sich an Stone Town anschließenden Neustadt Sansibars, in der überwiegend dunkelhäutige Menschen lebten. „Die Touristenseite Sansibars wurde schon sehr oft abgebildet, und für uns war es nun eine ganz bewusste Entscheidung, den Fokus auf den ärmlichen Teil der Stadt zu richten, in der die Umwälzungen ihren Anfang nahmen“, ergänzte der Regisseur. Besonders schwer hätten es in den 1950er Jahren schwarze afrikanische Frauen gehabt, die am meisten unterdrückt und von den anderen Gesellschaftsschichten geringgeschätzt wurden. Als Identifikationsfigur hierfür dient im Film Mwajuma, die Yasmin bei sich aufnimmt, nachdem sie aus ihrer Zwangsehe geflohen ist. Frauen wie Mwajuma selbst konnten damals nirgendwo hin fliehen, weswegen sie sich häufig dazu entschlossen, vor Ort Widerstand zu leisten, und so Solidarität auf die unterschiedlichsten Weisen zu erfahren. Noch bis zum 25. September sind auf dem Afrika Film Festival Köln rund 80 Filme zu sehen, zu denen rund 30 Gäste erwartet werden.
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