Trotz des Geredes vom Ende der Privatheit im Internet: Über Ihre Facebook-Timeline weiß ich eigentlich gar nichts. Aber wenn sie, wovon ich vermutlich ausgehen kann, mit ähnlich klugen, sensiblen und in der Welt stehenden Menschen bevölkert ist wie die meinige, dann haben Sie in den letzten Wochen folgenden Satz bestimmt schon mehrmals gelesen: Wasser ist ein Menschenrecht!
Mit diesem Slogan warb eine europaweite Bürgerinitiative aus Gewerkschaften, Grünen und Naturschützern um Unterschriften für eine Petition gegen die geplante EU-Konzessionsrichtlinie, die eine Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung einleiten könnte – und das mit Erfolg. Über eine Million Unterschriften konnte die Petition bis Mitte März alleine in Deutschland sammeln; auch in Österreich, der Slowakei und Belgien ist das für ein Bürgerbegehren nötige Quorum erreicht worden.
Aber nicht nur die Tatsache, dass man heute für ein Bürgerbegehren nicht mehr in der kalten Fußgängerzone, sondern im Internet um Unterstützung betteln muss, hat zum Erfolg der Privatisierungsgegner beigetragen, vielmehr war es das Evozieren von Ängsten. Diese PR-Strategie haben die Aktivisten übrigens bei ihren Gegnern gelernt – den großen Konzernen. Als die Mineralwasserfirma FIJI ihr Wasser von den Fidschi-Inseln als Alternative zum Trinkwasser aus dem Hahn verkaufen wollte, bezogen Sie sich in der Werbung immer wieder auf die alte Stahlstadt Cleveland in Ohio. Deren Trinkwasser hatte zwar eine höhere Qualität als FIJI, aber die Assoziation mit dem rostenden Cleveland genügte, um die Käufer zu überzeugen, dass ihr Trinkwasser minderwertig sei.
Die Privatisierungsgegner argumentieren ähnlich assoziativ. Zwar ist die Behauptung, dass Wasser ein Menschenrecht sei, erst einmal nicht falsch. Seit 2010 betrachtet die UNO sauberes Trinkwasser als Menschenrecht. Nur einklagbar ist es nicht. Gesichert wird dieses Recht in Deutschland durch ein hochtechnisiertes Versorgungssystem und die Tatsache, dass die Kosten für Trinkwasser bei Hartz IV-Empfängern übernommen werden. Diese beiden Fakten stehen aber bei der Konzessionsrichtlinie nicht zur Debatte, sondern die Frage, wer in Zukunft das Geschäft mit dem Menschenrecht Wasser übernehmen soll – die Kommunen, die Konzerne oder wie in Köln eine Mischform aus beidem?
Überhaupt wirkt es ein wenig wohlstandschauvinistisch, bei einer eventuellen Privatisierung der Wasserversorgung in einem der reichsten Länder der Welt gleich die Menschenrechte zu bemühen, während die Tatsache, dass 783 Millionen Menschen laut UNICEF eben keinen gesicherten Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, offensichtlich nicht die Eingabe der eigenen Namensdaten auf einem Internetformular wert sein soll. Den Status Quo nicht kritisch zu beleuchten, wirkt typisch für Bürgerbewegungen neueren Datums. Auch diesmal dienen die Menschenrechte nicht der Mobilisierung mit dem Ziel eines besseren Wassers für alle, sondern dem Gegenteil: der Immobilisierung.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der Untergang
„Liquid“ von Wehr51 – Theater am Rhein 07/24
Hahn auf – Wasser marsch!
Wasser, Markt und Grundversorgung – THEMA 04/13 UNSER WASSER
„Es gibt ein Grummeln an der Basis“
Heide Rühle (MEP Grüne) sieht die Wasserprivatisierung weiter auf der Agenda – Thema 04/13 Unser Wasser
„Die kommunale Wasserversorgung funktioniert“
Matthias Schmitt von der Rheinenergie sieht die Pläne der EU kritisch – Thema 04/13 Unser Wasser
Veolia zum Beispiel
Der Wasser-/Umweltmarkt ist überall – Thema 04/13 Unser Wasser
Weihnachtswarnung
Intro – Erinnerte Zukunft
Aus Alt mach Neu
Teil 1: Leitartikel – (Pop-)Kultur als Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart
„Früher war Einkaufen ein sozialer Anlass“
Teil 1: Interview – Wirtschaftspsychologe Christian Fichter über Konsum und Nostalgie
Spenden ohne Umweg
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Netzwerk 2. Hand Köln organisiert Sachspenden vor Ort
Nostalgie ist kein Zukunftskonzept
Teil 2: Leitartikel – Die Politik Ludwig Erhards taugt nicht, um gegenwärtige Krisen zu bewältigen
„Nostalgie verschafft uns eine Atempause“
Teil 2: Interview – Medienpsychologe Tim Wulf über Nostalgie und Politik
Lebendige Denkmäler
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Route Industriekultur als Brücke zwischen Gestern und Heute
Glücklich erinnert
Teil 3: Leitartikel – Wir brauchen Erinnerungen, um gut zu leben und gut zusammenzuleben
„Erinnerung ist anfällig für Verzerrungen“
Teil 3: Interview – Psychologe Lars Schwabe über unseren Blick auf Vergangenheit und Gegenwart
Zivilcourage altert nicht
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Verein zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal
Unglaublich, aber essbar
Todmorden und die Idee der „essbaren Stadt“ – Europa-Vorbild England
Schlechte Zeiten: Gute Zeiten
Die Macht der Nostalgie – Glosse
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Es sind bloß Spiele
Teil 1: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
Jenseits der Frauenrolle
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Werben fürs Sterben
Teil 2: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
Immer in Bewegung
Teil 2: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten