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Christiane Nothofer
Foto: Viktoria Lohner

Autorinnen im Fokus

13. März 2020

Weltfrauentag im Literaturhaus Köln – Literatur 03/20

Am 8. März, anlässlich des internationalen Frauentags, veranstaltete das Literaturhaus einen Weltfrauenliteraturtag. Das Programm startete mit einem Spaziergang durch Köln, bei dem Ina Hoerner die Besucher zu neun Stationen von neun Autorinnen führte, die in den letzten 200 Jahren in Köln gelebt und geschrieben haben. Hierbei gab sie an jeder Station kurze Infos und untermalte die Führung zudem mit O-Tönen der vorgestellten Schriftstellerinnen, wobei weniger bekannte neben solche wie Hilde Domin und Irmgard Keun traten.

Der Rundgang endete am Literaturhaus, wo Bettina Fischer durch den Abend leitete. Der Gedanke hinter der Veranstaltung sei, so Fischer, das Scheinwerferlicht auf Autorinnen zu richten, die in Köln gelebt haben, die aus Köln kommen, beziehungsweise in Köln arbeiten. Auch in der Literatur seien Frauen oft nicht genug wahrgenommen worden, und nach wie vor sei die Sichtbarkeit von Frauen in Literatur und Medien oft geringer als die ihrer schreibenden Kollegen.

Hilde Domin

Den Anfang in der Reihe vielschichtiger Beiträge machte Christiane Nothofer, die Sprecherin und Schauspielerin ist und an diesem Tag gleich zwei Autorinnen ihre Stimme lieh: Hilde Domin und Irmgard Keun. Hilde Domin wurde 1909 in Köln geboren und studierte Philosophie, Jura und Nationalökonomie. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann ihr Exil, das sie anfangs nach Italien, dann nach England und schließlich in die dominikanische Republik führte, bevor sie nach 22 Jahren wieder nach Deutschland zurückkehrte. Bekannt ist Domin vor allem als Lyrikerin, Nothofer präsentierte aber auch einige ihrer Gedichte an diesem Abend sowie einen Ausschnitt aus „Meine Wohnungen“ („Mis Moradas“), das 1993 im Fischer Verlag erschien.

„Vielstimmigkeit des weiblichen Schreibens“

Es folgte Juliana Kálnay, die aus ihrem Roman „Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens“ las. Die in Köln und Malaga aufgewachsene junge Autorin wurde hierfür sowohl mit dem ZDF-apekte-Literaturpreis 2017 als auch dem Hebbel-Preis 2018 ausgezeichnet. Die Geschichte dreht sich um die Bewohner eines Mietshauses, wobei nicht nur die Wohnungen, sondern auch kleinere Räume wie der Aufzug oder ein Schrank bewohnt werden.

Anders als Nothofer, deren warmer, starker Stimme man anhört, dass sie Erfahrung im Vortragen hat, verzauberte Kálnay das Publikum mit ihrer sehr zarten und besonderen Art des Vorlesens – und natürlich vor allem mit ihren poetischen Worten. Die bildhafte Sprache und die fliegenden Worte schaffen ein ganzes Universum in einem Schrankes. Und man möchte mehr erfahren, über den Bewohner des Schranks, über Nina, die versprochen hat wiederzukommen und über die anderen Mitbewohner. Wie Kálnay erwähnte, wird im Buch selten erklärt, warum die Figuren handeln, wie sie handeln, aber vielleicht spielt das auch gar keine so große Rolle. Man möchte ihr einfach weiter zuhören, dieser zarten Stimme, die einen mit Worten auf eine Wolke aus Poesie zu heben scheint.


Bettina Dorn; Foto: Viktoria Lohner

Bettina Dorn las stellvertretend für die erkrankte iranische Lyrikerin Pegah Ahmadi drei ihrer Gedichte. Man habe nicht darauf verzichten wollen, so Fischer, da die Veranstaltung schließlich „die Vielstimmigkeit des weiblichen Schreibens in Köln zeigen“ wolle.

Lange Zeit unterschätzt

Nach der Pause las erneut Christiane Nothofer, diesmal Texte von Irmgard Keun, die mit ihrem Roman „Gilgi, eine von uns“ 1931 über Nacht berühmt wurde. Bekannt ist auch ihr Roman „Das kunstseidene Mädchen“. 1940 kehrte sie zurück nach Köln. Der Daily Telegraph veröffentlichte eine Falschmeldung ihres angebliches Selbstmordes. Diesen Umstand nutzte sie, um unter anderem Namen zu leben und zu schreiben – an frühere Erfolge konnte sie aber nicht anknüpfen. Erst Ende der 1970er Jahre wurde sie wiederentdeckt.

Um die Bedeutung des Werkes Irmgard Keuns hervorzuheben zitierte Fischer sehr treffend aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die 2005, anlässlich des 100. Geburtstags der Schriftstellerin, schrieb: „Was die Keun aus der schon nicht mehr ganz Neuen Sachlichkeit machte, das war eine artistische Popliteratur: eine rasante Melange aus Schlager und Schreibmaschine, aus innerem Monolog, zarten Lyrismen und genau gehörter Umgangssprache, aus Werbeplakaten und Revuenummern.“ Dies pointiert, dass die Autorin, entgegen der lange währenden Einschätzung, sie schreibe seichte Frauenliteratur, eine der wichtigsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts ist.

Nothofer las unter anderem aus dem Text „Dienen lerne beizeiten das Weib“, dessen Titel ein Zitat von Goethe stellt und der wie die Faust aufs Auge zum Anlass der Veranstaltung passte. Keun stellt voller Ironie die Unsinnigkeit der Ungleichheit der Geschlechter bloß – das Publikum war höchst amüsiert.


Melanie Raabe und Bettina Fischer; Foto: Viktoria Lohner

Einen weiteren Höhepunkt lieferte die Lesung Bettina Dorns aus den Texten ihrer Mutter Anne Dorn, die seit 1969 als freie Schriftstellerin in Köln zahlreiche Arbeiten für Hörfunk und Fernsehen fertigte, aber auch Bücher schrieb: 1991 erschien beispielsweise „Hüben und drüben“. Anne Dorns Tochter las aus dem 2007 erschienenen „Siehdichum“ und aus „Sankt Gereon“, das auf die Verbundenheit Anne Dorns zu Köln verweist. 2009 ging ein beträchtlicher Teil ihres Werkes und Nachlasses beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs verloren.

Mittlerweile war es dunkel geworden – der perfekte Moment also, um die Bühne Melanie Raabe, der vielfach übersetzten und hochgelobten Thriller-Autorin zu überlassen. Fischer betonte in der Vorstellung der Autorin, es sei vor allem die „psychologische Dichte“ der Bücher, die sie fasziniere. Davon konnten sich die Zuhörer kurz darauf selbst überzeugen, als Raabe Ausschnitte aus ihrem zweiten Band „Die Wahrheit“ las. Am 9. Mai gibt es für alle Interessierten und Krimiaffine die Möglichkeit, sie bei der Literaturnacht zu hören.

Die Veranstaltung kann als rundum gelungen bezeichnet werden und das Ziel, nicht allein schreibende Frauen, sondern auch ihre Vielstimmigkeit in den Fokus zu stellen, wurde erfüllt. Allemal haben Lesung sowie Rundgang gezeigt, dass die Literaturgeschichte damals wie heute ohne die Beiträge des weiblichen Geschlechts um einiges ärmer wäre. Man darf hoffen, dass das Literaturhaus auch im nächsten Jahr, wie von Bettina Fischer angekündigt, wieder Schauplatz für ähnlich bereichernde Veranstaltungen sein wird.

Viktoria Lohner

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