Eigentlich war das Musikfestival für das Frühjahr 2020 geplant, doch dann kam die Pandemie dazwischen. Schweren Herzens wurde die elfte Ausgabe des Acht Brücken-Festivals mit dem Thema „Kosmos / Comic“ auf den Frühling 2021 verlegt, in der Annahme, dass es dann wenigstens wie geplant und in vollem Umfang live stattfinden kann. Doch wie wir alle wissen, stecken wir gerade mitten in der dritten Welle der Pandemie, so dass abermals umgedacht werden musste. „Zum zweiten Mal müssen wir Acht Brücken | Musik für Köln als Präsenz-Festival mit Publikum absagen. Doch wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und es geschafft, fast das ganze Programm des diesjährigen Festivals online abzubilden“, so Louwrens Langevoort, Gesamtleiter des Festivals und Intendant der Kölner Philharmonie, kurz vor Eröffnung des nun komplett in den digitalen Raum verlegten Festivals.
Einige Konzerte wurden abermals verlegt, die lang erwartete Aufführung von „E2 - E4“ von Manuel Göttsching (Ash Ra Tempel), seinem post-Krautrock und prä-House Music Klassiker von 1981 (der Nachholtermin am 30. Mai steht aktuell noch) bereits zum dritten Mal. Viele andere Konzerte finden jedoch nun statt und können zumindest digital per Stream erlebt werden. Fast 30 Konzert-Livestreams und Videopremieren mit insgesamt 17 Uraufführungen sind im Angebot. Nach der Erstaufführung sind sie noch jeweils 30 Tage online zu sehen. Die Mehrzahl der so präsentierten Konzerte wurde wenige Tage vor der Ausstrahlung vorproduziert.
Begegnung mit dem Comic
Das Thema Musik und Comic zusammenzubringen, ist trotz der berühmten Soundwords wie „piff, bang, poff“ in Comics nicht gerade naheliegend. Zwar kennt man in der Comicszene musikalisch unterlegte Lesungen. Und auch Live-Zeichnen-Events gibt es immer wieder. Live zu Konzerten zeichnen ist jedoch auch in der Comicszene eine Spezialität, die nur selten – zum Beispiel von Reinhard Kleist, dem Autor von Comicbiografien zu Nick Cave oder David Bowie – zu erleben sind. Insofern beweist Acht Brücken mit seiner neuen Ausgabe nicht nur Mut damit, das Festival digital durchzuführen, sondern zeigt schon beim Thema die Lust, Avantgarde-Themen einem größeren Publikum anzubieten.
So zeichnet am 2. Mai um 12 Uhr Lukas Kummer, der sich mit seinen Thomas-Bernhard-Adaptionen, aber auch historischen Stoffen und Science Fiction einen Namen gemacht hat, zu Salvatore Sciarrinos „Quaderno di strada“, das auszugsweise als Bandeinspielung zu hören sein wird. Um 13 Uhr folgt dann der Zeichner Jurek Malottke (bekannt durch seine Adaption von Kai Meyers Kurzgeschichte „Das Fleisch der Vielen“) mit Live-Zeichnen zu Fausto Romitellis wildem, buntem und hypnotischem Zyklus „Professor Bad Trip“. Eine Komposition, die wiederum von Comics inspiriert ist.
Am 4. Mai um 18 Uhr kann man noch einmal den Klängen von Salvatore Sciarrino lauschen. Das Ensemble Moderne, regelmäßiger Gast bei Acht Brücken, hat am 28.4. exklusiv für Acht Brücken dessen „Quaderno di strada“ aufgeführt, das nun abrufbar sein wird. „Diese Musik zu spielen“, sagt Sciarrino, „bedeutet vor allen Dingen, die Macht der Suggestion wiederzuentdecken. Wir werden von der Musik bis an die Schwelle der Stille geführt, wo unser Ohr sich schärft und der Geist sich jeglichem Klangereignis öffnet. Die Wahrnehmung wird so erneuert und das Zuhören zu einem emotionalen Erlebnis.“
Zwei exklusive Kompositionsaufträge von Acht Brücken werden bereits am 1. Mai um 19 Uhr vom Ensemble Musikfabrik aufgeführt. Nina Šenk und Anthony Cheung haben jeweils eine eigene Komposition zu dem Experimentalfilm „Stump the Guesser“ von Guy Maddin und den Brüdern Evan und Galen Johnson aus dem Jahr 2020 komponiert, so dass der Film zweimal gezeigt wird, jeweils mit einer anderen Musikbegleitung. Außerdem wird das Ensemble Musikfabrik Richard Eyres Komposition zu Paul Barritts Animationsfilm „Strand“ spielen.
Fast eine klassische Comiclesung erlebt man mit der musikalischen Lesung der Graphic Novel „Ernst Busch – Der letzte Prolet“ von Autor Jochen Voit und Zeichnerin Sophia Hirsch, die im Herbst dieses Jahres erscheinen wird. Für die Kölner Uraufführung des Live-Projekts durch das Stuttgarter ensemble ascolta und den Sänger Justin Caulley dienen die Texte von Jochen Voit und die Bildsequenzen von Sophia Hirsch als Ausgangsmaterial, die Musik stammt von Gordon Kampe.
Am 6. Mai um 20 Uhr ist das Programm „Happiness Seriousness – A Counterpoint“ mit Animationsfilmen zum Thema Profitgier, aber auch Fragen zu Mitgefühl im Wirtschaftssystem zu sehen – und zu hören. Die Musik und die lyrischen Beiträge zu den sechs Animationsfilmen zum Thema stammen vom Klangforum Wien und Künstlerinnen und Künstlern verschiedener Sparten. Das Quartett Mount Meander um den Kölner Schlagzeuger Thomas Sauerborn spielt frei improvisierte Musik. Gestreamt wird das Konzert vom 3. Mai im King Georg, das komplett ohne Visuals oder Bezug zu Comics auskommt, während des Acht Brücken-Festivals ebenfalls am 6. Mai um 21 Uhr.
Wieder ganz nah an der Comicszene ist die Veranstaltung am 9. Mai ab 15 Uhr. Frauke Berger, bekannt geworden durch ihren viele beachteten Science Fiction-Comic „Grün“, zeichnet live zu Bernd Richard Deutschs Ensemblestück „Dr. Futurity“, das wiederum von Philip K. Dicks gleichnamiger SF-Novelle von 1960 inspiriert ist. Die Musik wird von Band eingespielt.
Am 12. Mai gibt es mit Studio Dan ein Tribute to Frank Zappa und ein Konzert mit Werken von Zappa, John Zorn und der Wahlkölnerin Oxana Omelchuk mit ihrem Kompositionsauftrag für das Festival. Das Ensemble Studio Dan wurde vor gut 15 Jahren von Daniel Riegler im Rahmen des ersten Festivals der JazzWerkstatt Wien gegründet. Als Big Band gestartet, tritt es mittlerweile je nach Anlass in verschieden großen Formationen auf. Weiterhin geplant ist übrigens auch die Aufführung von Karlheinz Stockhausens „Sternklang – Parkmusik für fünf Gruppen“ am 4. Juni um 19.30 im RheinEnergie Stadion. Ob das Spektakel tatsächlich stattfindet, muss man abwarten.
Acht Brücken | Musik für Köln | 1. - 15.5. | online | achtbruecken.de
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