Das diesjährige Festival „Acht Brücken. Musik für Köln“ lauscht der „GroßstadtPolyphonie“: Wie klingt die Stadt heute – Momentaufnahmen städtischer Klänge werden erkannt, künstlerisch bearbeitet, interpretiert und als Klang serviert.
Ein schönes Beispiel über klingenden Fortschritt durften die Philharmonie-Besucher kürzlich – sozusagen als Vorabend des Festivals – ganz spontan im Konzert erleben, als der südafrikanische Pianist Kristian Bezuidenhout seine Hände über die Tastatur senkte, um gleich die ersten Töne eines ganz zarten Adagios von Schubert zu starten. In der Stille des Raumes tobte nämlich ein Pfeifen auf verschiedenen Tonhöhen: Rückkopplungen unsachgemäß eingestellter Hörgeräte erzeugten ein anhaltendes, abendliches Vogelkonzert, das die kleine Klang-Preziose Schuberts völlig vernichtete. Nicht nur die „grauen Panther“, auch Rock- und Punk-Invaliden, von den Hörgeräteakustikern immer aufwendiger auf den neuesten Stand gecoacht, hören selbst die übersteuernden Frequenzen nicht. Auch die Ortung der „zwitschernden Vögelchen“ fällt schwer – hier siegt der zeitgenössische technische Fortschritt über den herkömmlichen Kunstgenuss, und der Künstler sollte eigentlich seinen Vortrag unter den Vorzeichen gar nicht erst starten – aber auch der Interpret muss solche Situationen erst zu beherrschen lernen.
„Lärm, Hektik und Schmutz hinter sich zu lassen und sich in Konzertsälen wie der Kölner Philharmonie ganz auf die Musik und die ihr immanenten Stille zu besinnen“, wie es der Festivalleiter Louwrens Langevoort empfiehlt, muss also nicht immer gelingen. Aber sich solchen unerwarteten Phänomenen zu stellen, selbst spontan neu zu hören, zu reagieren und zu bewerten, das fordern die Künstler des aktuellen Festivals ein. U-Bahnhof, Skaterhalle, Kirchen, Kulturbunker oder Rheinschiffe dienen als originelle Vortragsorte neben dem philharmonischen Zentrum und dem WDR-Sendesaal.
Ein Gesicht bekommt das Festival über den in zwölf Konzerten präsentierten Komponisten Georges Aperghis, Sohn eines Bildhauers und einer Malerin, 1945 in Athen geboren und als junger Künstler nach Paris ausgewandert. Dem Interdisziplinären galt sein Interesse, speziell die Laut-Artikulation der Stimme und auch der Instrumente faszinierten den Künstler. Auch davon erzählt das Festival.
Acht Brücken. Musik für Köln | 30.4. - 11. 5. | div. Orte | www.achtbruecken.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Kleinteilige Tonalität
Das Festival „Acht Brücken“ erforscht die Zwischentöne – Festival 04/24
Achtmal Brücken und siebenmal Rock
Akademiker und Rocker im Konzert – Unterhaltungsmusik 05/23
Die Stille danach
Musikfestival Acht Brücken feiert das Nichts – Festival 04/23
Spiel mit dem Klang
„Trioesque“ in der Deutzer Brücke – Kunst 08/22
Spiralen der Erinnerung
Acht Brücken mit dem Thema „Musik, Amnesie, Gedächtnis“ – Festival 04/22
Visuelle Musik
Musikfestival „Acht Brücken“ streamt ab 1. Mai – Festival 05/21
Totenhagen baut Brücken
5-stündiges Streamingprogramm von Acht Brücken - Musik 04/20
„Das Publikum herausfordern und einbinden“
Akiko Ahrendt über das Ensemble Garage – Interview 10/19
Aufbruch durch die Migration
Das Forum neuer Musik in Köln – Musik 04/19
Die Orgel als Tor zur Welt
Dominik Susteck sorgt für Neue Musik in St. Peter – Musikporträt 04/19
Aus der Fabrik in den Alltag und umgekehrt
Der April mit dem Ensemble Musikfabrik – Musikporträt 04/19
Ein Rhythmus mit Filzstiften
Karlheinz Stockhausen in der Villa Zanders – Kunstwandel 12/18
Originelle Qualität
„Weihnachten mit Daniel Hope“ in der Philharmonie Essen – Klassik an der Ruhr 12/24
Friedenslieder zum Jahresende
„Silvesterkonzert – Bernstein & Gershwin“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/24
Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24
Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24
Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24
Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24
Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24
Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24
Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24
Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24
Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24
Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24
Bruckners „verfluchte“ Neunte
„Von Herzen – Letzte Werke“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 06/24