choices: Herr Frantzen, Ingenieure gelten vielen als Technikfreaks mit Imageproblemen. Kann man da kreativ sein?
Michael Frantzen: Der Ingenieurberuf ist natürlich zunächst einmal mathematisch-technisch geprägt, kreativ und intuitiv zu arbeiten, steht dazu aber nicht im Widerspruch. Ob ein Ingenieur kreativ arbeitet und innovativ sein kann, hängt von der konkreten Person, ihrer Tätigkeit und auch vom Arbeitgeber ab.
Woran arbeiten Sie?
Ich bin technischer Experte für zukünftige Fahrwerksysteme. Mein Team ist damit beschäftigt, die ohnehin schon guten Fahrwerke von Ford noch zu verbessern und an künftige Herausforderungen, wie CO2-Reduktion durch Fahrzeugleichtbau oder der Verbesserung der Fahrdynamik, anzupassen.
D.h., Ihrem Knowhow verdanken wir, wenn die Fahrzeuge trotz hoher Geschwindigkeit ruhig auf der Straße liegen?
Eines unserer Produkte, der sogenannte „RevoKnuckle“, ist ein Fahrwerksystem, das den Fahrer in bestimmten Fahrsituationen entlastet, weil es den Antriebseinfluss auf die Lenkung deutlich reduziert. Dabei geht es weniger um die Höchstgeschwindigkeit als um das maximale Drehmoment des Motors, den Beschleunigungsvorgang und das Fahren auf unebenen oder einseitig glatten Fahrbahnen. Für die Erfindung wurde uns ein Patent erteilt, und auch meine Promotion im letzten Jahr drehte sich teilweise um dieses Thema.
Nachträglich Glückwunsch. Ist es auch in Serie gegangen?
Es wird seit dem letzten Jahr in den Ford Focus RS eingebaut und macht diesen mit Frontantrieb, 440 Nm Drehmoment und 305 PS erst möglich.
Ist das ein typisches Beispiel für Ihre Tätigkeit?
Im Grunde schon. In diesem besonderen Falle hat mein Team das Produkt sogar ausnahmsweise bis in die Serie betreut. Für Themen der Forschung erfolgt sonst nach der Konzeptentwicklung meist eine Übergabe an die Kollegen von der Vor- oder Serienentwicklung. Hier im Forschungszentrum arbeiten wir normalerweise etwas anders als die Kollegen dort. Wir sind nicht so eng in das Tagesgeschäft eingebunden und haben mehr Freiräume, in neue Technologien hineinzuschauen.
Sie machen Grundlagenforschung?
Das ist unsere eigentliche Aufgabe: neue Wege zu gehen. Ursprünglich wurde auch der RevoKnuckle nicht für einen bestimmten Fahrzeugtyp entwickelt, sondern fing als Machbarkeitsstudie an. Der Focus RS war sozusagen unser erster Kunde dafür. Was die Forschung betrifft, arbeiten wir ja entlang einer längeren Zeitschiene. Es gibt in anderen Bereichen zum Beispiel das Thema Wasserstoff, das weit in die Zukunft weist. Die Entwicklung neuer Dieselmotoren ist da wesentlich zeitnäher.
Sehen Sie den Ingenieur der Zukunft als „Kreativarbeiter“?
Wir müssen uns zunehmend dem globalen Wettbewerb stellen. Das gilt inzwischen nicht nur für die Produktionsstandorte, sondern auch für Entwicklung, Vorentwicklung und Forschung. Neben der fachlich-technischen Kompetenz ist es die Kreativität, die den Ingenieur der Zukunft definiert.
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