Freitag, 10. Mai: Seit 1951 hat es sich die Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW) zur Aufgabe gemacht, Filme von einem Gutachterkommitee unparteilich und „nach bestem Wissen und Gewissen“ zu bewerten. „Besonders wertvoll“ ist dabei das höchste zu vergebende Prädikat. „Besonders wertlos“ sind für die FBW wahrscheinlich die Filme, die seit 1999 beim gleichnamigen „Festival des deutschen psychotronischen Films“ zur Aufführung gelangen. Mit viel Selbstironie haben sich die Macher dabei seit Jahren unbekannten deutschen Filmen verschrieben, die es bei „Besonders wertlos“ zu entdecken gilt. Bislang war das Festival in Bochum beheimatet, seit diesem Jahr und zur 15. Auflage ist man ins Filmhaus-Kino nach Köln umgezogen, wo man gemeinsam mit „something weird cinema“ an vier Tagen „wilde Welten auf Zelluloid“ präsentierte. Zum vierten Mal bereits waren die filmbegeisterten Brüder Simon („comedystreet“) und Thilo Gosejohann mit ihren Filmen beim Festival vertreten, das sie in Köln persönlich und mit Unterstützung einiger weiterer ihrer Darsteller einem begeisterten Publikum präsentierten.
Ihre Kurzfilmzusammenstellung unter dem Titel „Geschichten aus der Grotte“ lief zwar nicht auf einer 35mm-Kopie, sondern von DVD bzw. BluRay, was der Bombenstimmung im fast ausverkauften Saal allerdings keinerlei Abbruch tat. Mitveranstalter Kai Krick betonte, dass die Vorstellungen von Gosejohann-Filmen immer ein Highlight des „Besonders wertlos“-Festivals gewesen wären, was sich nun auch in Köln wieder bestätigte. Unter den Gästen befand sich auch der Berliner Autor und Regisseur Jörg Buttgereit („Nekromantik“), dessen Gemeinschaftsproduktionen mit Thilo Gosejohann, „Green Frankenstein“ und „Sexmonster!“, tags darauf auf dem Festivalprogramm ihre Weltpremiere erlebten. Bei „Geschichten aus der Grotte“ hatten Thilo und Simon Gosejohann im eigenen Archiv gewühlt und präsentierten den Zuschauern mit launig-witzigen Kommentaren frühe Videoarbeiten wie „Brennpunkt Neverhorst I + II“ oder „Kraven IV“, mit dem ersten Auftritt Simon Gosejohanns vor einer Kamera, bei dem sich sein Körper mit einem erstaunlichen Special Effect aufbläht und schließlich explodiert.
Die Gosejohann-Brüder stehen zum Trash-Charme ihrer Filme, die sie mitunter nur deswegen drehten, „weil gerade mal wieder nix los war in Gütersloh“, so Thilo. Der Garten des elterlichen Hauses musste dabei genauso oft als Schauplatz herhalten wie eine nahe gelegene Grünfläche oder ein Waldrand. Aber die enorme Spielfreude und der inszenatorische Einfallsreichtum der Werke blieben nicht unerkannt. Mit der James-Bond-Persiflage „Im Angesicht seiner Majestät“ gewannen die Gosejohanns 1996 einen Filmwettbewerb der RTL-Sendung „Kino Exclusiv“, ihre Abenteuerfilm-Hommage „Ingo Jownes und die schlimme Mumie“ brachte ihnen beim Fantasy Filmfest den Hauptpreis eines Amateurwettbewerbs ein. Zu seiner Darstellung eines Nazischergen in letzterem Beitrag merkte Simon Gosejohann selbstkritisch an: „Mein Overacting in diesem Film sägt an den Nerven, da müsst ihr durch, schlimmer wird’s nirgends“. Dafür wurde einiges in den Jahren umso professioneller. Im neuesten Werk der Brüder, „Brennpunkt Neverhorst III“, mit dem sie 2012 nach fast zehn Jahren Pause wieder zu ihren Wurzeln zurückkehrten, gibt es nun sogar digitale Effekte – und einen niedlichen Gastauftritt für Thilos anderthalbjährige Tochter Greta.
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