Die erste Ausgabe des Festivals für Jazz und improvisierte Musik aus der Region war dem Kölner Nachwuchs gewidmet und gab eine Idee von den aktuellen Tendenzen in der Szene, in deren Koordinatensystem der Stadtgarten als wichtiger Fixpunkt figuriert. Viele der an den beiden Abenden vertretenen Musiker waren Studenten oder Absolventen der Hochschule für Musik und Tanz, wo viele Ensembles zusammenfinden, andere haben einen individuelleren musikalischen Weg hinter sich oder sind von der attraktiven Kölner Jazzszene aus anderen Regionen hergelockt worden. Wer sich einen Einblick verschaffen will, fand beim kostenlosen Winterjazz-Festival (2016/2017/2018) immer eine Möglichkeit bis spät in die Nacht Kölner Talente zu begutachten. Die Eröffnung des Cologne Open im Konzertsaal war eine viel intimere und konzentriertere Angelegenheit, ging es doch hier in erster Linie um die Weitervermittlung herausragender Talente des Kölner Jazz an ausländische Kuratoren, die sich im Rahmen des European Jazz Networks regelmäßig an europäischen Spielstätten treffen.
Das erste halbstündige Konzert bot das „doppelte Trio“ Makkro, aus (ehemaligen) Musikstudenten bestehend, die eine musikalische Grenze zwischen den beiden ursprünglichen Trios aufrecht erhalten und sie durch doppeltes oder ergänzendes Spiel testen und auflösen. Das Ineinandergreifen komplexer rhythmischer und melodischer Strukturen, die zugleich einem laufenden Wandel unterworfen wurden, erfüllte den Konzertsaal mit einem dichten und wechselvollen Sound. Der in verschiedenen Orchestern tätige Bandleader Janning Trumann an der wohltuenden Posaune sorgte dabei für einen starken Anschluss an New Yorker Bop-Sounds, während Christian Lorenzen an Klavier, Wurlizer und Synthesizer sich virtuos in den letzten Jahrzehnten bewegte. Er komponierte auch „Believer“, ein mit zusätzlicher elektronischer Berieselung (E-Bassist Oliver Lutz am Synth) ausgestatteter Flug durch Natur, Sonnenstrahlen und Euphorie, die irgendwann abklingt.
Immer wenn die Musiker sich gegenseitig jazzig umspielten, funktionierte diese durch Doppelbesetzung von Bass und Schlagzeug „ineffiziente“ Gruppe, die auf jeden Fall zu empfehlen ist. Sie haben zwei CDs veröffentlicht, die letzte mit einer Infusion von Elektronik beim Label Klaeng. Schlagzeuger Fabian Arends, der später am Abend auch im Trio Aurora mitspielte, sagt, dass drei Gruppenmitglieder für Kompositionen zuständig seien, „und die proben wir dann und gucken, was kann man daraus machen. Die Stücke werden nach und nach erarbeitet.“ Janning Trumann, der gerade sein eigenes Label Tangible Music gegründet hat, tritt in Formationen wie dem Subway Jazz Orchestra oder der Janning Trumann Group diesen Monat nochmal im Stadtgarten (15.3.) sowie im Loft (26.3.) und Subway (14.3.) auf.
Das Frauenquartett phase::vier (Filippa Gojo: Gesang, Zuzana Leharová: Violine, Elisabeth Coudoux: Cello, Svenja Doeinck: Kontrabass) hat sich ebenfalls an der Musikhochschule zusammengefunden, wo die Freundinnen 2009 diese Besetzung einmal ausprobieren wollten. „Jeder hat was mitgebracht“, sagt Zuzana Leharová, die inzwischen auch ihr eigenes Quartett anführt und einige Kompositionen in phase::vier einfließen lässt. Sie begannen mit dem musikalisch wechselvollen Titelstück ihrer CD „Balkongeflüster“, präsentierten unter anderem Björks „Jogá“ und endeten mit Leharovás „Cosmische Verwirrung“, in dem auf zwei Crescendos harte Übergänge folgten. Überhaupt spielten gut eingespieltes Timing und der Einfluss von Musikstilen bis hin zu Rock und Pop besonders an der Violine eine Rolle. Die souveränen Damen gefielen, ihre Stücke und Interpretationen halten zudem viel Experimentierlust fest, was die Möglichkeiten der alten Instrumente angeht, allerdings überlagerte eine Ebene von klanglichen Ideen und nervösen Zwischenakzenten auch mal das Musikalische. Die Gruppe erschien wie jede andere am besten, wenn sie sich dem natürlichen Fluss einiger Stücke hingab. Ein Schlagzeuger ergänzt das Quartett bei Auftritten gelegentlich. Getourt wird wieder im Herbst.
Wer glaubt, dass Sebastian Gille (35) – an diesem Abend Mittelglied des Trio Aurora – ein gewöhnlicher Saxophonspieler ist, wird sich bei seinen Auftritten wundern, warum sein Instrument kaputt geht oder irgendwo nicht mehr richtig eingestöpselt ist, ohne dass er es merkt. Seine teilimprovisierten Solos auf einem verblichenen Tenorsaxophon (Baujahr 1936) machen sich alle expressiven Möglichkeiten des Instruments zunutze und führen mitunter in den Keller tiefster Melancholie. Es wagt keine Behauptungen mehr, sondern fragt nur noch, wird kleinlaut, gesteht seine ganze Schuld ein und sendet heisere Statusberichte von den versteckten Orten der Seele. Seine Geschichten erzählt es mit einer Notwendigkeit, die ein Gefühl von Betroffenheit auslöst. – Das vor wenigen Monaten vorgestellte Trio mit Gille, Komponist Lucas Leidinger (29) am Piano und Fabian Arends (27) am Schlagzeug lässt sich etwas Freiraum zum Improvisieren von Solo-Statements und zum Entwickeln der Themen. Sie steigerten sich zusehends und spielten auf hohem Niveau, allerdings vermisste man im Klangbild etwas einen eigenständigen Bass, der auch geholfen hätte, in der streckenweise etwas schwebenden Musik stärkere strukturelle Akzente zu setzen. Oder wäre das zu einfach? Gille (live: 13.3. Artheater, 16.3. Loft) sagt, dass bei einer minimalen Besetzung mehr Platz und Freiheit für jeden da sei. „Es ist zum Beispiel etwas anderes, wenn wir jetzt zu dritt reden würden und nicht zu zweit.“ Der tiefste Ton des Abends kam von Makkro und seiner Elektronik und hatte seine Wirkung nicht verfehlt.
Zur Nacht hin spielten im gut gefüllten Studio 672 der Gitarrist und Klangkünstler Nicola Hein sein „skeptisches“ Improvisationsprogramm „The Oxymothastic Objectar“ und die Band Salomea, die populäre Musikgenres individuell und improvisatorisch bearbeitet und um Zugaben gebeten wurde.
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