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Fantastische Kulisse für allzu Menschliches: „Auf einem Sonnenstrahl“
Bild: Reprodukt

Diverses Figurenarsenal

11. August 2021

Comics gehen mit guten Beispielen voran – Comickultur 08/21

Zuletzt hatte der deutsche Zeichner und passionierte Fahrradfahrer Mawil mit seiner Hommage „Lucky Luke sattelt um“ seinen eigenwilligen Beitrag zu dem französischen Klassiker geleistet. Nun folgt der Kölner Comiczeichner Ralf König mit der fünften Hommage, die pünktlich zum 75. Jubiläum der Reihe des Zeichners Morris (lange Zeit zusammen mit René Groscinny als Autor) erscheint. „Zarter Schmelz“ erinnert anspielungsreich („Brokeback Mountain“) daran, dass es schwule Westernhelden und Cowboys nicht in den Kanon des Westerns geschaffte haben. Im Gegensatz zu seinen anderen Werken hält sich König mit expliziten Darstellungen zurück, und auch Lucky Luke bleibt asexuell. Alles andere wäre auch unpassend. Doch im Kern des Heftes geht es um eine Liebesgeschichte zweier Cowboys, die gerade erst entdecken, dass auch Männer sich lieben können, ohne sich zu prügeln, während auch einige Charaktereigenschaften von Luke neu beleuchtet werden. Schon Ende letzten Jahres erschien mit „Fackeln im Baumwollfeld“ von Achdé & Jul, den aktuellen Verwaltern von Morris‘ Erbe, der 99 Band der regulären Reihe. Und auch hier zeigt sich ein moderner Ansatz, der divers denkt und neue Aspekte in den alten Western-Kosmos einbringt. Hier sind es ein schwarzer Sheriff und der Ku-Klux-Klan, die neben Lucky Luke die Hauptrollen übernehmen. Keine Frage, auf welcher Seite unser ewig guter Held steht. In beiden Bänden vereinen sich Witz, Intelligenz und moralische Integrität, wie wir es von der Reihe seit 75 Jahren gewohnt sind (beide Egmont Ehapa).

Auch die bereits mehrfach ausgezeichnete Autorin Mariko Tamaki, Jahrgang ‘75, kann dem Comic noch ein wenig Vielfalt hinzufügen. Zusammen mit der zwanzig Jahre jüngeren Zeichnerin Rosemary Valero-O‘Connell erzählt sie von der missbräuchlichen Beziehung zwischen Laura und ihrer Freundin Freddy. „Laura Dean und wie sie immer wieder mit mir Schluss macht“ erzählt von Liebe und dem Ende der Liebe, von guten und von schlechten Zeiten, ohne dass die sexuelle Orientierung oder die ethnische Zugehörigkeit der Protagonisten besonders thematisiert werden. Hier geht es um junge Menschen und ihre Gefühlswelten, ihre Irrungen und Wirrungen, ganz dicht an den Figuren erzählt und im dezenten Manga-Stil gezeichnet. Auch Tillie Walden erzählt nicht zum ersten Mal von lesbischer Liebe. „West, West Texas“ machte aus einem Coming out einen surrealen Trip. In der über 500 Seiten dicken und mit dem Los Angeles Times Book Price ausgezeichneten Graphic Novel „Auf einem Sonnenstrahl“, die ursprünglich als Webcomic erschien, sind ihrer Fantasie ebenfalls keine Grenzen gesetzt: Mia ist zusammen mit dem Team ihres neuen Raumschiffes dafür zuständig, Gebäude im Weltraum zu Restaurieren. Doch obwohl sie sich gut in die neue Gemeinschaft einlebt, muss sie immer wieder an ihre verlorene Liebe zu Grace in ihrem ehemaligen Internat denken. Auch hier gibt es Diversität ohne Aushängeschild, die einfach beiläufig unterschiedlichste Menschen repräsentiert. Bei diesem Füllhorn an Ideen und Bildern kann man auch gar nicht auf die dumme Idee kommen, diese Vielfalt agitatorisch zu verstehen. Sie repräsentiert schlicht und einfach die Welt (beide Reprodukt).

Christian Meyer-Pröpstl

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