Wieder mal ein echter Sturm im Wasserglas. Als auf Twitter verkündet wurde, dass in Zukunft Witze gelöscht würden, so sie von Leuten verbreitet würden, die sie mir nichts, dir nichts weiter erzählen, ohne sie selbst erfunden zu haben, brach er los. Da war die Rede vom geistigen Eigentum, das geschützt werden müsse. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder Klassenclown mit geklauten Pointen um sich werfen würde? Später stellte sich heraus, dass es sich nur um Witze von Olga Lexell aus Los Angeles handelt, die offenbar als Possenreißerin ihre Brötchen verdient. Man könnte die Aufregung auch einen Treppenwitz nennen – und ihn einfach nur lächerlich finden.
Anders als Comedians und Kabarettisten, die ihr Programm selbst schreiben und deswegen notgedrungen auf eigene Geistesblitze angewiesen sind, gehören Witze zum kollektiven Allgemeingut. Man muss sie nur behalten und – im besten Fall – auch erzählen können. Also nicht so, wie es Peter Panter alias Kurt Tucholsky es in „Ein Ehepaar erzählt einen Witz“ beschrieben hat. Als Humorarbeiter sollte man dabei nicht nur Witze erzählen, sondern das Publikum mit Hilfe von Mimik, Körpersprache und intelligenten Gags auf Trab bringen. Das schafft Mirja Regensburg mit ihrem „Mädelsabend“ im Atelier Theater (am 7., 14., 21. & 28.9.) scheinbar mühelos. Mehr noch: Sie hätte auch das Zeug dazu gehabt, Deutschland beim letzten Eurovision Song Contest in Wien vor der großen Schmach zu bewahren. Die ausgebildete Musical-Sängerin sagt selbst: „Mit mir wäre das nicht passiert.“ Man glaubt es ihr.
Einen anderen Zugang zum Zwerchfell seiner Zuschauer hat Robbi Pawlik alias Bademeister Schaluppke gefunden: „10 Jahre unterm Zehner“ heißt sein Programm (17., 25.9. im Wohnzimmertheater), in dessen Verlauf er von seinen Erfahrungen im Kombi-Bad in Köln-Zollstock berichtet, von prekären Begegnungen in der Saunalandschaft, vom Umgang mit Jugendlichen mit Prekariats-Hintergrund, von Nacktbadeabenden und Fußpilz-Pandemien. Als „weißer Hai vom Beckenrand“ sorgt er für Ordnung in seinem Refugium, ein Mann aus dem Leben, der sich selbst nicht schont und sein Kugelbäuchlein tanzen lässt, dass es eine Art hat. Kurz: Schaluppke ist der Zeremonienmeister und der Rest der Welt hat zu gehorchen. Sonst geht’s ab in die Umkleidekabine. Aber dalli dalli.
Wer sich einen humoristischen Leckerbissen mit kabarettistisch kritischem Beigeschmack einverleiben will, sollte sich entweder am 20. auf die MS Rheinenergie (Frankenwerft 15), am 25. ins Klettenberger Hildegard von Bingen Gymnasium oder am 26. ins Bonner Brückenforum begeben. Dort wird die „Rosinentour 2015“ mit dem größten Kleinkunst-Ensemble Deutschlands unter dem Namen „Stunk unplugged“ über die Bühnen gehen. Ein Dutzende Mitglieder der Stunksitzung zeigen die besten Nummern aus den vergangenen Sessionen – dabei stellt sich heraus, dass Kulisse und Technik zwar schön und gut sind, aber nicht unbedingt notwendig, wenn es darum geht, Menschen zum Lachen zu bringen. Reduziert auf die Akteure und Musiker erweist sich erst die Tragfähigkeit der jeweiligen Sketche, ihre Brisanz und ihre Komik – man könnte auch sagen: Abspecken bringt den Charakter an den Tag. Und der ist stark. Schwört wie immer hoch und heilig die Ihnen stets ergebene
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