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Andrea Badey und Matthias Ebbing im Interview
Foto: Marlene Krursel

„Ist das jetzt noch Musik?“

17. Februar 2020

Andrea Badey und Matthias Ebbing über „Schwarze Schafe, heute ganz in weiß“ – Interview 02/20

Seit 2018 arbeitet das Duo bereits zusammen und tritt seither mit ihrem klangvollen Musikkabarett-Programm „Schwarze Schafe, heute ganz in weiß“ vor begeisterten Zuschauern auf, so auch am 3. März im Senftöpfchen-Theater. Das Programm zeigt nicht nur eine Fülle kunstvoller Bühnenelemente, sondern gibt jedem, mit seinen individuellen Ecken und Kanten, das Gefühl, dazu zu gehören, dass alles möglich ist, und es verbindet humorvoll Szenerie mit Musik. Oder sind das nur Geräusche?

choices: Ada, wie bist du zu dem gekommen, was du heute machst?

Andrea Badey (Ada): Erst einmal ist es schwierig überhaupt zu sagen, was ich mache, weil das ganz viel Unterschiedliches ist. Gestartet bin ich als Schauspielerin. Ich habe meine Schauspielausbildung in Hamburg gemacht, immer schon viel Theater gespielt und habe dann schnell gemerkt, dass ich an meine Grenzen komme auf Grund von Selbstbestimmung. Ich hatte immer schon meine eigenen Ideen.

Wie bist du dazu gekommen, dass du deine Ideen als Künstlerin schließlich umsetzten konntest?

Ada: Damals habe ich mit einer Freundin ein eigenes Musikkabarett-Programm gemacht, das war der Start. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch nicht selber geschrieben, sondern eher konventionelle Lieder mit eingebunden. Auf jeden Fall habe ich gemerkt, dass Musikkabarett mein Ding ist. Ich habe dann immer mehr selbst geschrieben, nicht nur die Zwischentexte, sondern auch die Songtexte. Nebenbei hatte ich außerdem lange Zeit eine Serienrolle, die mir finanziell einfach den Arsch gerettet hat. Ich hatte somit genug Geld, meine Ideen umzusetzen und mich zu verwirklichen.

Wolltest du immer nur Musikkabarett machen?

Ada: Vor einiger Zeit habe ich ja auch einen Roman geschrieben, der sensationellerweise mit dem Peter-Härtling-Preis ausgezeichnet wurde. Jetzt schreibe ich an meinem zweiten Roman. Das mit dem Musikkabarett wollte ich eigentlich langsam mal auslaufen lassen, weil ich gemerkt habe, dass jetzt Schreiben mehr mein Ding ist. Dann lief Matthias mir über den Weg. Der fragte spontan, ob ich nicht Lust auf einen Live-Musiker für meine Programme hätte, wobei ich zu dem Zeitpunkt eigentlich nur eine Lesung geplant hatte. Aus der Lesung wurde dann doch noch mal ein Musikkabarett-Programm. Insgesamt habe ich jetzt sieben Programme gemacht und selber geschrieben, und das ist jetzt die Krönung.


Foto: Presse

Matthias, wie kommen du und deine Musik ins Spiel?

Matthias Ebbing: Ich mache ja schon mein Leben lang Musik, komponiere, arrangiere, singe und habe solistische Konzerte mit improvisierten Sachen gemacht. Zudem habe ich auch ein gewisses komödiantisches Talent, welches ich immer wieder gerne unter Beweis stelle. Ich habe aber auch schon viel abgefahrenes, schräges Zeug gemacht, stellenweise elektronische Musik. Mich hat schon immer alles gereizt, was mit Musik zu tun hat, vor allem der Grenzbereich von Geräusch zu Musik. Das ist es auch, was ich ins Programm mit einfließen lasse. Wo manche Leute vielleicht nur ein Geräusch hören, höre ich Musik und frage mich, was man damit machen kann oder wie ich die Klänge verfremden kann, so dass verschiedene Sounds dabei rauskommen. Das mache ich auch im Programm mit Ada. Außerdem gibt es Zwischenmusiken, wo ich dann zum Beispiel auch gesprochene Texte von Ada musikalisch untermale. Auch da mag sich der ein oder andere vielleicht fragen: „Ist das jetzt noch Musik?“ Wenn ich auf einen Tisch klopfe, dann ist das erst mal nur ein Geräusch, aber dann wird da auch ganz schnell ein Rhythmus draus. (klopft begeistert und rhythmisch auf die Tischplatte)

Wie kam es dazu, dass ihr euch begegnet seid und euch schließlich für die Bühne zusammen getan habt?

Ada: Eine gemeinsame Bekannte und der Hambacher Forst waren Schuld. Im Herbst 2018 wollten wir beide mit einer Fahrgemeinschaft zum Forst zu einer der Demos fahren. Das kam dann leider aus terminlichen Gründen doch nicht zustande, doch darüber kannten wir uns schon mal indirekt. Dann bin ich mal auf seine Seite im Internet gegangen, habe dort ein Video gefunden, was mich neugierig gemacht hat und dann habe ich mir gedacht: „Der Junge ist so bekloppt und wenn der dann auch noch Klavier spielen könnte und dann auch noch Geräusche machen würde… Wow!“ Ja, und dann haben wir uns getroffen und aus der geplanten Lesung wurde wieder Musikkabarett. Das schien irgendwie in der Luft zu liegen.

Matthias: Am Anfang war es auch eher so gedacht, dass ich Adas Songs begleite und dann bin ich mehr und mehr ihr Duo-Partner geworden. Wir singen auch zusammen.

Was wird es auf der Bühne zu sehen und zu hören geben?

Ada: Gelesen wird gar nichts mehr. (lacht) Es vermischt sich alles. Es wird gespielt, erzählt, es gibt einzelne Nummern. Es gibt zum Beispiel einen Sketch, die Röhrenfernseher-Nummer, da gehe ich in eine kleine Erzählung rein, wo im Hintergrund Sirtaki-Musik läuft, weil die Geschichte von einer griechischen Begegnung handelt. Matthias spielt sogar den Griechen. Es gibt also auch kleine Theaterszenen. Kabarett und Theater vermischen sich mit Sketchen, Comedy, Gesang, Geräuschen und Erzählung. In einer Szene spiele ich einen alten Bergmann, ohne groß verkleidet zu sein, man erkennt es über Gestik und Mimik. Matthias macht derweil die Geräusche dazu, wirklich absurde Geräusche, doch man könnte auch denken, dass das jemand ist, der gerade im Bergbau auf Kohle hackt. Mit diesen Elementen spielen wir ganz viel. Außerdem gibt es ein Comedy-Duo, ein russisch-polnisches Ehepaar.

Matthias: Der Auslöser zu dem Comedy-Duo waren Spam-E-Mails. Die habe ich gesammelt, weil sie so wunderbar grotesk waren. „Das kann nicht sein", dachte ich. Jeder kennt sie, diese Mails mit völlig falscher Grammatik, kein Zusammenhang im Text oder diese Flirt-Mails. (lacht)

Ada: Er ist russische Seele, ich polnische Seele. (mit polnischem Akzent)

Worum geht es inhaltlich?

Ada: Es ist eine Fülle und daher gar nicht so einfach zu beschreiben. Ich bin damals aufgewachsen in einer Familie von Bergmännern und Barfrauen. Wenn die nachts nach Hause kamen, dann habe ich immer die Gespräche mitbekommen und wurde schon früh Zeuge davon, wie man Männer dazu bekommt, viel zu trinken während man selbst das Zeug in die Kakteen kippt. Es geht viel um gestrandete Naturen, Trost im Röhrenfernseher, Gedankenblitze, die tief im Glas lauern und um poetische Verwerfung.

Was hat es nun mit dem Titel „Schwarze Schafe, heute ganz in weiß“ auf sich?

Ada: Der Titel ist entstanden, indem ich mich zunächst gefragt habe, worum es mir im Leben geht. Es geht mir um Absurditäten, poetische Verwerfung, Humor und um das, was nicht in die Welt passt, um die Dinge, die zu skurril sind, die zu absurd sind, die man im Alltag nicht gebrauchen kann. Sozusagen der Abfall, der sich uns auf die Bühne wirft, und mit diesem Abfall arbeiten wir. Genau so etwas machen nun mal nicht die Menschen, die funktionieren müssen, sondern die schwarzen Schafe der Gesellschaft, nämlich die Künstler. Die sind in der Gesellschaft nicht wirklich geliebt, sondern werden immer ein bisschen aussortiert und dürfen sich dann auch mal zu Wort melden und ein bisschen blöken. Aber die gehören nicht wirklich dazu, die stehen immer etwas am Rande und sagen: „Huhu, wir sind auch noch da.“ Und alle sagen immer: „Ach, dies ist ja lustig und das ist ja lustig…“, aber so richtig dabei haben will man sie nicht.

Matthias: Das sind auch Aspekte, die jeder in sich hat.

Ada: Ja, jeder trägt diese Anteile in sich. Diese kleinen Aspekte, die nicht dazu gehören, die man lieber unter Verschluss behält, die man vielleicht mal auf einer Party raus lässt oder im Urlaub, aber sonst eher nicht. Selbst der angepassteste Sparkassenverkäufer trägt diese Anteile in sich und fühlt sich dabei in unserem Programm angesprochen.

Was gebt ihr dem Publikum damit mit auf den Weg?

Ada: Das Gefühl, das alles möglich ist, sogar als Frau.

Andrea Badey & Matthias Ebbing: „Schwarze Schafe, heute ganz in weiß“ | Di 3.3. 20.15 Uhr | Senftöpfchen | 0221 258 10 58

Interview: Marlene Krursel

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