Mittwoch, 20. August: Die Arbeitsteilung der beiden Regisseure bei der opulenten Dokumentation „Rheingold – Gesichter eines Flusses“ war von Anfang an klar abgesteckt. Peter Bardehle saß als On-Location-Regisseur bei den Aufnahmen mit im Helikopter, Lena Leonhardt kam in der Post-Production im Schneideraum die Aufgabe zu, aus über einhundert Stunden Rohmaterial den endgültigen Film zu destillieren. Beim Publikumsgespräch im Anschluss an die Kölner Preview des Films im cinenova merkte die Filmemacherin an: „Das ist sehr, sehr viel Material, wenn man das sichten und daraus eine Geschichte entwickeln muss“. Und genau darum ging es den Verantwortlichen bei „Rheingold“, denn schließlich handelt es sich dabei, wie ein Kölner Zuschauer treffend anmerkte, keineswegs um die erste Dokumentation, die über den berühmten europäischen Fluss gedreht wurde.
Lena Leonhardt erläuterte dazu die Beweggründe des Teams: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Rhein aus einer anderen Perspektive zu erzählen. Deswegen haben wir ihm eine Stimme gegeben und das Wagner-Epos als Referenzpunkt mit einbezogen.“ Die Wahl bei der Besetzung der Erzählstimme fiel dabei auf keinen Geringeren als Ben Becker, der nicht nur seit Jahren als ausdrucksstarker und wandelbarer Schauspieler überzeugt, sondern auch einige legendäre Lesungen durch seine tiefe und charakteristische Stimme bereichert hat, nicht zuletzt seine Bibel-Lesung, die mit den Ausschlag gaben, ihn hier als Verkörperung des Rheins akustisch in Erscheinung treten zu lassen. Im Vorfeld der Dreharbeiten hatte es schon ein klares Konzept gegeben, sich zusammen mit dem Fluss an seiner Wegstrecke entlangzuhangeln und dabei seine Geschichte von der Quelle bis zum Meer zu erzählen. Das blieb allerdings lediglich ein grober Leitfaden, dessen illustre Ausschmückungen sich erst unterwegs, bei den Motivsuchen vor Ort, ergaben. Die Einbindung des witzigen Saurennens ist beispielsweise eher zufällig entstanden, weil die Filmemacher von Menschen vor Ort auf das spektakuläre Ereignis aufmerksam gemacht wurden, das so seinen Weg in den fertigen Film fand. Lena Leonhardt ging vergleichsweise unbedarft an das Rohmaterial heran. Da sie selbst nicht am Rhein aufgewachsen ist, hat sie keine persönliche Bindung zu einem der gezeigten Orte. Auf Nachfrage des Publikums merkte sie an, dass sie die Szene vom Freilassen der Robben gegen Ende des Films persönlich am meisten bewegt habe.
Klaudia Kelleh, die als Repräsentantin des Senator-Filmverleihs als Moderatorin durch den Abend führte, brachte das Gespräch auch noch auf einige technische Aspekte der Dreharbeiten. Dem Team standen hierfür nämlich Cineflex-Kameras zur Verfügung, die zu Aufklärungszwecken von der NASA entwickelt worden waren, mittlerweile aber frei auf dem Markt verfügbar sind. Da die unterhalb des Helikopters befestigte Kamera in Kugeln eingebettet war, entstanden annähernd erschütterungsfreie Bilder, was angesichts der starken Rüttler im Hubschrauber umso erstaunlicher ist. Nach spätestens sechs Stunden musste dennoch ein jeder Drehtag enden, weil die andauernde Vibration des Augapfels bei den Insassen des Helis ansonsten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hätte. Am ärgerlichsten für das Team waren darüber hinaus wohl die zahlreichen Mücken, die genau wie bei den Windschutzscheiben der Autos gegen die Kameralinse klatschten und deswegen einige an sich tolle Bilder für den fertigen Film unbrauchbar machten.
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