Überregional: Rap ist aktuell eins der größten Genres in Deutschland. Immer wieder landen die Platten und Singles von Künstlern wie Capital Bra, Bausa oder RIN auf der 1, laufen im Radio hoch und runter und stürmen die kurierten Playlists von Streaminganbietern wie Spotify oder Apple Music. Langsam erwarten manche schon ein bevorstehendes Platzen der Rapblase. Doch abseits von Chartplatzierungen und Albumboxen wird in der Szene noch lange kein Gedanke ans Aufhören verschwendet, stattdessen wird Rap jünger, politischer, individueller. So auch in Köln, wo sich schon lange eine lebhafte Untergrundkultur entwickelt.
Da wäre zum Beispiel die Rapperin Liser (22), die seit 2017 Musik macht. Die Autodidaktin konzipiert alle ihre Texte selbst und arbeitet für die Musik eng mit dem Produzenten und Rapper Fredo Hayabusa zusammen. Zuerst auf Soundcloud und inzwischen auch auf Spotify veröffentlicht sie ihre Musik komplett ohne Label und hat es trotzdem bereits in die Öffentlichkeit geschafft. Erste Berühmtheit verschaffte sie sich durch kleine Auftritte in Köln und Umgebung und den Gewinn von Wettbewerben wie dem „Bring your own Beats“-Contest, durch den sie nun Ende Juli auf dem Juicy-Beats-Festival in Dortmund auftreten durfte. Auch das wohl bedeutendste deutsche Rapfestival, das splash!, hat bereits von ihr Notiz genommen und stellte sie als einen möglichen Nachwuchsact zur Auswahl. Liser hat dieses Publikums-Voting zwar nicht gewonnen, freut sich aber über die Nominierung: „Als Musikerin wahrgenommen zu werden, beweist mir, dass ich das nicht alles ins Leere hinein mache und das ist mir sehr wichtig.“
In ihren Texten liegt ihr eine Sache besonders am Herzen: „Das Konzept, meine Idee soll rüberkommen. Technik ist für mich dann nicht mehr so essentiell.“ Zum Rap ist sie dabei eher über Umwege gekommen. Geschrieben habe sie zwar schon immer, aber die Plattform war eine andere: „Ich hab Poetry Slams gemacht, weil ich dachte, ich wär nicht cool genug für Rap.“ Köln betrachtet sie als Inspiration: „Ich liebe die Stadt einfach, ich muss nur rausgehen und hab schon wieder drei Songkonzepte im Kopf, weil hier so viel passiert.“ Andere kleinere Rap-Artists aus Köln betrachtet sie längst als Freunde: „Die haben alle Musikprojekte am Laufen, man fühlt sich da schon als Teil seiner eigenen Szene.“
Keine leeren Texte: ENNA
ENNA (22), der bereits einige Male mit Liser zusammengearbeitet hat, hat mit 12 angefangen Deutschrap zu hören und schrieb bereits als Jugendlicher selbst Texte. Seine Musik solle zum Nachdenken anregen. Auf Songs wie „Seele“ und „Schlüssel“ spricht er über Inhalte, die ihm besonders wichtig sind: „Ich habe mir mal vorgenommen, nie etwas ohne Thema zu schreiben. Selbst wenn es auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, habe ich in jeden Song irgendwo meine eigenen Gedanken und Ansichten einfließen lassen.“ Engagement ist ihm aber nicht nur inhaltlich wichtig. Seine Veröffentlichungen bietet er deshalb auch über die die Plattform „keinegrenzen.org“ an, die alle Einnahmen an die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ spendet. Das Projekt veranstaltete dieses Jahr zum ersten Mal auch ein gemeinnütziges Festival im Stadtgarten bei dem über 1.600 € gespendet wurden. Auch ENNA ist dort aufgetreten: „Das Projekt von Barthélémy Bonhomme ist großartig. Jeder gibt was er oder sie kann und bei mir ist das nun mal die Musik.“
In der Stadt fühlt sich ENNA ebenfalls sehr wohl: „Auch wenn ich nicht in Köln aufgewachsen bin, liebe ich es hier.“ Als Teil einer zusammengehörigen Szene sieht er sich aber im Gegensatz zu seiner Musikkollegin nicht wirklich: „Man kennt ein paar Leute, die die unterschiedlichste Musik machen und mit INVO, Crank und Fredo Hayabusa habe ich auch Rapper in meinem Umfeld, aber um wirklich Teil einer Szene zu sein, muss man vielleicht größer sein, als ich es grade bin.“
Deutscher Hip-Hop, das wurde lange stiefmütterlich behandelt, von Sendern, Charts und Musikfirmen gleichermaßen – zu skandalbehaftet, zu unkontrollierbar war die Szene. Inzwischen ist man auf den Erfolg aufgesprungen, aber die Musiker haben längst gelernt sich selber zu vermarkten. Twitter und Instagram dienen vielen als Sprungbrett und direkte Gesprächsplattform.
Das schätzt auch Liser: „Das halte ich für sehr wertvoll, weil man kommunizieren kann, was man möchte. Auf der anderen Seite ist es abseits vom Rapjournalismus auch härter seine Reichweite zu vergrößern. Man muss schon erstmal auf das Radar der Leute kommen.“ Diese Entwicklung führt auch dazu, dass die Künstler untereinander sich leichter vernetzen. Ihre letzte musikalische Kooperation mit MC Zirkel habe sie einfach über Twitter ausgemacht, so Liser. Persönlich getroffen habe sie ihren Feature-Gast erst beim letzten Auftritt.
Auch ans Aufhören denkt keiner der beiden Künstler. „Zurzeit bin ich super glücklich, wie es ist. Songs veröffentlichen und ohne Druck hier und da aufzutreten, ist für mich gerade gut. Dass dann auch noch Leute zu den Shows kommen, ist umso schöner“, erzählt ENNA.
„Ich möchte irgendwann von Musik leben können“, sagt Liser. „Das ist mein Ziel für die nächsten Jahre.“
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