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Blicke auf Augenhöhe

01. Juli 2024

„Die Blumenfrau“ von Anne-Christin Plate – Vorlesung 07/24

Wanja und die Frau an der Ecke, die immer Blumensträuße verkauft, haben eine ganz besondere Verbindung. Obwohl sie nicht dieselbe Sprache sprechen, verschiedenen Altersgruppen angehören und ganz andere Lebensalltage haben, verstehen sie sich blind. Im April erschienen behandelt „Die Blumenfrau“ (NordSüd Verlag) von Anne-Christin Plate die Themen Empathie und Offenheit. Die auf wahren Begebenheiten basierte Geschichte lehrt Leser:innen ab vier Jahren das Innehalten ebenso wie die Zuwendung gegenüber unserer Umwelt und dem zunächst Unbekannten.

Einmal Mohn, dann Hagebutten und schließlich wieder Maiglöckchen: Je nach Jahreszeit bindet die Verkäuferin an der Ecke bunte Blumen in ihre Sträuße. Während Passant:innen voller Hast an ihr vorbeihuschen, verliert sich in den dichten Menschenmassen nicht selten die Menschlichkeit. Eindrucksvoll stellt die Autorin und Illustratorin ein Meer aus Köpfen dar – Gesichter, die sichtlich alle mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind, die vorbeilaufen und höchstens flüchtige Blicke für die Blumenfrau übrighaben. Hier wird deutlich, dass die meisten Begegnungen mit der Frau im wahrsten Sinne des Wortes nicht auf Augenhöhe geschehen – ein gelungenes Bild, das zum Nachdenken anregt. Wanja hingegen hat keine Scheu: Er lächelt die Blumenfrau an, führt seine Eltern zu ihr und sie kaufen ihr regelmäßig Sträuße ab. „Und so schauen sie immer nach einander“ – poetisch lässt Anne-Christin Plate den Jungen und die Frau einander gegenüberstehen und sich anblicken, während ein hellgelber Umriss ihre beiden Gesichter hervorhebt und vielleicht auch ihre Verbindung unterstreicht – wie ein Licht, ein Leuchten. Als die Verkäuferin eines Tages nicht mehr an ihrem Platz sitzt, fragt Wanja sich, was wohl aus ihr geworden ist. Das Buch zeigt schließlich, wie man sich an Menschen, die man gernhat, erinnern kann: Sie erscheinen in den Dingen wieder, die sie lieben und die sie ausmachen, so bleibt ihr Wesen spürbar.

Im Mai mit dem LUCHS-Literaturpreis ausgezeichnet zeigt die (Bewegt-)Bildkünstlerin mit ihrem ersten Buch ihr Können: Anne-Christin Plates Illustrationen stechen durch ein buntes Zusammenspiel vieler kräftiger Farbstriche heraus, die ein lebendiges Gesamtbild erzeugen. Berührend erzählt jeder Strich einen Ton, ein Gefühl oder eine Facette der Geschichte. Dabei funktioniert der Negativraum unterstützend, indem er dem Gezeichneten genügend Wirkungsfläche gibt. Der Debüttitel der deutschen Autorin ist berührend – so wird die kalte Anonymität der Großstadt einer vertrauten Wärme gegenübergestellt, die sich in der Begegnung äußert. Ein Austausch, der stumm sein kann oder mit Worten gefüllt – aber immer auf Augenhöhe.

Anne-Christin Plate: Die Blumenfrau | NordSüd Verlag | ab 4 Jahren | 40 S. | 18 €

Daphne Koch

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