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Lavinia Dames (Annabella)
Foto: Max Brunnert

Die Egomanie der Liebe

31. Januar 2019

Anno Schreiers Oper „Schade, dass sie eine Hure war“ – Opernzeit 02/19

Was ist Liebe? Hingabe oder totale Selbstaufgabe? Ein Sichfinden durch oder egozentrische Selbstbespiegelung im Anderen? Bedingungslose Annahme oder obsessive Inbesitznahme des Anderen?

Im Zentrum der Oper steht die inzestuöse Liebe des Zwillingspaares Annabella und Giovanni, einem introvertierten Intellektuellen, der von seinem Studium in sein Elternhaus zurückgekehrt ist. Aus den Zwillingskindern sind Mann und Frau geworden. Beide fühlen sich fremd in der verkommenen, dekadenten Gesellschaft, in der sie leben. Aus ihrer Zuneigung wird Liebe. Die Situation spitzt sich zu, als Annabella nach dem Willen des Vaters den eitlen und skrupellosen Verführer Soranzo heiraten soll. Sie weist nicht nur ihn, sondern auch die anderen Verehrer zurück, allesamt lächerliche Figuren, und wird die Geliebte des Bruders. Der Vater treibt die Hochzeit mit Soranzo voran, um Annabellas Schwangerschaft und Giovannis Vaterschaft zu vertuschen. Seine Liebe steigert sich daraufhin zur narzisstischen Obsession und schließlich zur rasenden Eifersucht. Der Inzest wird offenbar, und die mörderische Intrige des betrogenen Ehemanns nimmt ihren Lauf, befeuert von einem korrupten Umfeld, in dem sich jeder selbst der Nächste ist, jeder Macht ausüben und seinen Vorteil auf Kosten des anderen ausleben will bis hin zu dessen Vernichtung. Die einzige Ausnahme ist Annabella, für welche die tödliche Liebe zu ihrem Zwillingsbruder eine Flucht aus einer desaströsen Welt ist.

Das fünfaktige Libretto von Kerstin Maria Pöhler (Autorin dieser Zeilen) geht auf das gleichnamige Schauspiel von John Ford aus dem Jahr 1661 zurück und spitzt das dramatische Beziehungsgeflecht der Figuren und das Geschehen auf die finale Katastrophe zu, in der alle Verlierer sind. Die Musik zeichnet die Entwicklung einer scheinbar idealen Zuneigung zweier sich auf das Haar gleichender Menschen bis hin zur zerstörerischen Raserei nach, zunächst in kindlicher Reinheit. Musikalische Stilzitate à la Tosti oder Rossini karikieren den hohlen Pathos und die Verlogenheit der Freier mit komödienhaften Leichtigkeit. Je mehr sich die Figuren durch die Intrige miteinander verstricken, je mehr sich die Geschwister aneinander klammern und nicht mehr voneinander loskommen, desto mehr verdichtet sich die Musik, die sich wie ein Strudel aus Hass und Rache um das Zwillingspaar zusammenzieht und alle in den Abgrund zieht – ein Sog des mörderischen Hasses und der Zerstörung, aus dem es kein Entkommen gibt.

„Schade, dass sie eine Hure war“ | R: David Hermann | 16.2.(P), 23.2., 27.2., 8.3. je 19.30 Uhr | Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf | 0211 892 52 11

Kerstin Maria Pöhler

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