choices: Herr Münker, wie funktionieren Blogs im Social Web?
Stefan Münker: Wie andere Formate im Web 2.0 auch existieren Blogs nur, weil und wenn wir sie benutzen. Zugleich wird damit eine spezifische Differenz deutlich, die ihre Medialität von der anderer Medien abgrenzt. Mit dem Web 2.0 ist historisch zum ersten Mal eine massenhafte Nutzung gemeinschaftlich geteilter, interaktiver Medien nicht nur möglich, sondern wirklich. Das allein ist eine ziemlich aufregende Entwicklung. Diese Wirklichkeit konnte lange Zeit nur als utopische Vision einer demokratischen Medientechnik beschworen werden.
Beeinflussen Blogs die öffentliche Meinung?
Das kommt drauf an! In den USA sind Blogs mittlerweile Teil der öffentlichen Diskurse. Eine Plattform wie Arianna Huffingtons „Huffington Post“ beeinflusst die öffentliche Meinung durchaus. In Deutschland gibt es (noch) keine Blogs mit vergleichbaren Reichweiten. Allerdings sind manche Blogger wie Stefan Niggemeier oder Sascha Lobo mittlerweile durchaus in der Lage, die Agenda der Debatten mit zu beeinflussen – wenn auch weniger durch ihre Blogs, als durch die Auftritte in traditionellen Medien, die sie allerdings ihrer Prominenz als Blogger verdanken.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die wichtigsten Unterschiede zur Rolle der traditionellen Zeitungskolumnisten? Welche Rolle spielt hier die Geschwindigkeit, der Zwang zur Kommentierung/Berichterstattung in Echtzeit?
Sie deuten die Antwort ja selber an: Natürlich sind Blogger in der Lage, auf eine unvergleichbar schnellere Art und Weise zu publizieren als traditionelle Medien. Das liegt in der Natur der Sache. Einen Zwang zur Kommentierung freilich gibt es in keinem Blog – die Kommentiermöglichkeit, die Blogs immer bieten, ist allerdings einer, wenn nicht der entscheidende Unterschied zu Massenmedien: Bei Bloggern sind Leser immer zugleich Ko-Autoren. Der einzige Zwang, der hier herrscht, ist der, die Kommentare der Leser aushalten zu müssen ...
Immer mehr Printmedien arbeiten mit Blogs – mit welchen Auswirkungen auf die gedruckten Nachrichten?
Die Rückwirkungen von Blogs, die ihre Zeitungen oder Zeitschriften online begleiten, auf die Ursprungsmedien sind noch unerforscht. Die gedruckten Nachrichten selber ändern sich durch das Bloggen von Journalisten kaum, sie sehen aber möglicherweise schneller alt aus. Was sich dadurch auf Dauer ändern könnte, ist die Aktualitätssignatur der Printmedien. Sie werden sich zu entscheiden haben, ob sie den Wettlauf mit einer digitalen Medienwelt aufnehmen wollen, den sie gleichwohl immer schon verloren haben – oder aber anstatt auf Erstveröffentlichung von Informationen verstärkt auf Hintergrundbericht und Kommentierung setzen wollen.
Können sich vor diesem Hintergrund unabhängige Blogger auf Dauer behaupten?
Wir werden sehen. Noch gilt: Die Präsenz traditioneller Medien in der Blogosphäre hat den klassischen Bloggern nicht unbedingt geschadet. Vielmehr zeigt sich immer häufiger, dass die kategoriale Trennung von Journalisten hier und Bloggern dort schlicht falsch ist – und sich gerade in den besten Blogs die beiden Sphären aufs Beste auch vermischen.
Neben den geschriebenen Blogs wächst die Zahl der Video-Blogs. Werden sie die Schrift-Blogs zurückdrängen?
Haben Fernsehnachrichten die Zeitungen verdrängt? Es gibt keinerlei Indizien dafür, dass die zunehmende Zahl von Videoblogs einen negativen Einfluss auf Textblogs hätte. Allerdings gibt es Gründe anzunehmen, dass die klare Trennung in Bewegtbild hier und Schrift dort in einer hypermedialen Umgebung wie der Blogosphäre auf Dauer keinen Bestand haben könnte.
Überhaupt: Spielen Bilder im Internet auf Dauer die größere Rolle?
Bilder, und das gilt vor allem auch für Bewegtbilder, spielen in der Nutzung des Internets derzeit darum eine größere Rolle als noch vor fünf oder gar zehn Jahren, weil die Technik sich verändert hat. So kann die Produktion von Filmen mittlerweile auf allen gängigen Rechnern in nahezu professioneller Qualität durchgeführt werden. Und die Resultate können dank gravierender Verbesserungen der Übertragungswege über fast jeden Internetaccount problemlos versendet oder empfangen werden. Dadurch erst wurde das Internet zu einer technischen Umwelt für alle Formen von Medieninhalten. Nun aber ist die Welt des Internets hypermedial – auf Dauer können Bilder hier gar keine größere Rolle spielen ...
Im Zusammenhang mit dem Internet wird häufig die kollektive Kreativität hervorgehoben. Der Blogger ist in der Regel eher ein traditioneller „Urheber“. Ein Gegenpol zum Trend?
Aber nein, im Gegenteil! Gerade weil die Kommentierbarkeit eines Blogeintrags zu den wichtigsten Merkmalen dieses Mediums zählt, zeigt sich: Blogs sind beste Beispiele für das Phänomen kollektiver Kreativität. Nicht selten gewinnt der Leser die wichtigsten Einsichten erst, nachdem er sich durch die Usereinträge unter dem Text des Bloggers hindurchgelesen hat. Und immer wieder ändern Autoren dank kritischer Kommentare auch ihre Meinung – und zeigen dies durch weitere Kommentare in eigener Sache. So funktioniert Lernen durchs Kollektiv. Traditionelle Urheberschaft aber sieht anders aus ...
Hat „der“ Blogger als individueller Publizist auf Dauer eine Perspektive?
Bloggen lohnt sich – nicht, oder nur selten, wenn man als Autor davon leben will. Eine Perspektive als Publizist wird sich nur der Blogger aufbauen können, dem es gelingt, sich innerhalb der Blogospähre (und am besten, darüber hinaus) durch kluge Publikationen einen Namen zu machen. Aber natürlich kann sich Bloggen auch für denjenigen lohnen, der das Medium lediglich nutzen will, um endlich einmal seine Meinung frei veröffentlichen zu können. Das garantiert das Netz, Leser garantiert es nicht.
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