Ein unbefriedigendes Szenario: Man wagt den mutigen Schritt, für seine Ideale zu kämpfen, doch dann kracht eine Woge an Hindernissen auf einen hernieder, auf die Demonstration folgt eine Anti-Demonstration mit Gewalt(-androhung), die Polizei schreitet ein oder bürokratische Mühlen mahlen zermürbend langsam. Aktuelles Beispiel: Umweltaktivisten setzen sich für den Erhalt des Hambacher Forsts und gegen Braunkohle ein. Polizeieinsätze und Anklagen folgen. Wie ist es erst, wenn es um Kriege geht?
Amnesty International setzt sich seit über 50 Jahren weltweit für Menschenrechte ein und lässt sich dennoch nicht unterkriegen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar lautet die Maxime bei Amnesty International sowie alle Menschen gleich zu behandeln“, so Guido Steinke, einer der drei Bezirksleiter der Gruppe Köln, der entspannt wirkt trotz der Härte des Themas. „Menschenrechte gehen jeden von uns etwas an. Kriegs- und Folteropfer ebenso wie die Person von nebenan. Wir sprechen dabei beinahe mit jedem. Außer mit der AfD.“ Für Amnesty, das parteilos und neutral agiert, ist es aber wichtig, nicht mit dem Finger auf eine einzige Person zu zeigen, so abscheulich auch ihre Taten sein mögen: „Wir kritisieren Worte und verurteilen Taten, nicht aber den Menschen selbst. Nicht Erdoğan alleine ist an allem Schuld. Stattdessen stellen wir das gesamte System in Frage,“ so Steinke, der sich, wie alle anderen im Kölner Bezirk, ehrenamtlich für Amnesty einsetzt.
Täglich stehen dabei Themen wie Krieg, Folter, Vergwaltigung oder sogenannte ethnische Säuberungen auf der Liste. Wie kann man es schaffen, angesichts dessen nicht aufzugeben? Wo liegt die Frustrationsgrenze? Guido Steinke:
„Bei uns muss man schon einen längeren Atem haben, weil wir tatsächlich Briefe schreiben. Der Briefwechsel und die Petitionen dauern, aber wir machen es dennoch gerne, weil das Ziel ein gutes ist. Eines, das uns alle eint: Menschlichkeit. Und es gibt ja auch schöne Ergebnisse, z.B. den Fall einer älteren Dame, die ihre Briefe tatsächlich mit der Hand schrieb. Sie hatte aber eine hohe Trefferquote. Während sämtliche Emails untergingen, wurden ihre Briefe irgendwo auf der Welt gelesen. Es gibt dennoch Hürden: Politik ist ein sehr zähes und skurriles Geschäft. Eine Hürde ist auch der natürliche menschliche Zweifel. Oft, wenn wir jemanden fragen, ob wir eine Unterschrift bekommen, fragt dieser: ‚Für was genau? Was unterschreibe ich da?‘ An eine Grenze bin ich persönlich mal gestoßen, als ich einen Film von Amnesty sah, in welchem eine Reihe Kinder am Straßenrand abgeknallt wurden. Da habe ich gedacht: Jetzt habe ich für eine Weile genug von dieser grausamen Welt gesehen und habe mich daraufhin eine Zeit lang nur auf die inneren Aufgaben besonnen, weil mir das zu diesem Zeitpunkt zu viel geworden ist.“
Kölle Global hingegen stellt seit zehn Jahren via konsumkritischen Stadtrundgängen auf innovative Weise das Verbraucherverhalten des Menschen in Frage und wirbt für eine nachhaltigere Welt. Diese Stadtrundgänge sind weniger touristisches Sightseeing, sonden führen interaktiv mit eingebauten Stolperfallen in Konsumtempel und an Orte, in denen uns die Schattenseiten der globalisierten Welt vor Augen geführt werden. Indem der Teilnehmer über Themen wie Textilindustrie, Handyproduktion, Nahrungsmittelverschwendung und Fleischkonsum stolpert, möchte die Initiative zum Nachdenken anregen und Menschenrechts- sowie Umweltverletzungen entlang von Produktionswegen aufzeigen.
Nora von Kölle Global, die bescheiden auf einen Nennung ihres Nachnamens verzichtet, sagt zu den Hürden, über die Mitarbeiter von Kölle Global stolpern:
„Leider bleiben viele Situationen unverändert und erschreckend, wie die Müllsituation in den Meeren oder der Metallabbau im globalen Süden. Diese Probleme erscheinen oft unerreich- und unveränderbar. Für uns ist es wichtig, dennoch nicht den Kopf in den Sand zu stecken und stattdessen in kleinen Schritten im eigenen Umfeld etwas zu verändern. Dies kann ein bewusster Wandel im persönlichen Verhalten oder auch nur das Weitertragen von Informationen sein. Wegen der vielen bürokratischen Hürden gehen wir genau deshalb den Weg über die Konsumentenmacht-Schiene. Manchmal ist auch Zeitmangel eine Hürde und dass wir nicht genug unterstützt werden, als dass wir all das schaffen könnten, was wir uns vorgenommen haben.“
Wie schafft man es, für etwas Gutes zu kämpfen und dabei nicht die Nerven zu verlieren? „Mit Spaß an der Sache und netten Leuten und dem Gefühl, auf großes Interesse bei den Teilnehmenden zu stoßen. Außerdem hat sich in Köln innerhalb der letzten Jahre sehr viel in Richtung Nachhaltigkeit entwickelt,“ so Nora.
Bei aller Grausamkeit der Welt und Langatmigkeit des Dagegenhaltens sprechen sich beide, Amnesty International Köln und Kölle Global, nicht für gewaltsamen Widerstand aus; wie es einige Linke durchaus tun. „In meiner Freizeit gehe ich zum Karate, um bestimmte Dinge zu verarbeiten. Aber alle Anliegen von Amnesty International sollen natürlich gewaltfrei durchgesetzt werden. Das ist schließlich unser Ziel: eine gewaltfreie Welt. Mittels Worten und nicht mit Waffen. Wir prüfen sogar vorher, ob die Menschen, für die wir uns einsetzen, in ihrer Vergangenheit Gewaltdelikte begangen haben,“ so Steinke von Amnesty International Köln.
Kölle Global und Amnesty International Köln beweisen, dass man trotz Frustration und Widerständen nicht aufgeben und an seinen friedlichen Zielen festhalten kann.
Amnesty International Köln: www.amnesty-koeln.de/
Kölle Global: www.koelleglobal.de/
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