Die aktuelle Ausstellung „Menschen auf der Flucht“ zeigt auf beeindruckende Weise, wie das Leben Geflüchteter aussehen kann. Dabei geht es nicht ausschließlich um aktuelle Krisen, sondern um Flucht im gesamten 21. Jahrhundert. Drei verschiedene Werkreihen unterschiedlichster Künstler werden in jeweils separaten Ausstellungsräumen präsentiert.
Bei Betreten des ersten Ausstellungsraumes wird man von einem schwarzen Flügel begrüßt und kann die Musikbegeisterung der Mitglieder des Kölner MenschenSinfonieOrchesters nachempfinden. Für die Werkreihe „Die Materie der Welt“ haben die italienischen Künstler Geremia Carrara und Francesca Magistro, die mittlerweile in Deutschland leben und arbeiten, die 17 Musiker des Orchesters mit Fotoapparat und Kamera begleitet und ihre akustische Arbeit optisch festgehalten. Carrara und Francesca ist es dabei gelungen, in die individuellen Welten der Menschen einzutauchen und diese in beeindruckenden Einzelporträts festzuhalten. Hier stehen insbesondere die unterschiedliche kulturelle und soziale Herkunft im Vordergrund.
Neben den Einzelporträts gibt es Gruppenaufnahmen der Menschen beim gemeinsamen Musizieren. Eine Großaufnahme des gesamten Ensembles lässt kulturelle und soziale Grenzen verschwinden, die Musiker scheinen zu einer Einheit zu werden und alle eine wichtige Position in der Gruppe innezuhaben. Diese Fotografie verdeutlicht eindrucksvoll, wie in enger gemeinschaftlicher Zusammenarbeit Großartiges geschafft und erschaffen werden kann.
Begleitende Videoinstallationen geben den Besuchern die Möglichkeit, das Ensemble beim Grillen im Park zu begleiten oder eine Probe des Orchesters hautnah mitzuerleben. Fast fühlt man sich, als säße man selbst im Kreis der Musiker und bekäme Tipps für das musikalische Spiel. Hier schafft die Arbeit „Die Materie der Welt“ genau das, was auch das MenschenSinfonieOrchester schafft: Jeden einzelnen in die Gruppe zu integrieren.
Geremia Carrara und Francesca Magistro haben Menschen fotografiert, die bereits angekommen sind. Diese Geflüchteten haben ein neues Leben als Musiker begonnen. Ganz anders geht es denjenigen, die auf den Fotografien der Werkreihe „Das nackte Leben – Flucht und Vertreibung im 21. Jahrhundert“ im nächsten Ausstellungsraum zu abgebildet sind. Christoph Püschner und Frank Schultze, zwei deutsche Fotojournalisten, zeigen in Arbeiten aus den letzten 20 Jahren, dass es Flucht schon seit langem gibt. So kann man hier die Fotografie einer alten tschetschenischen Dame betrachten, die wie gelähmt neben einer zerstörten Gasleitung sitzt. Sie wirkt völlig allein gelassen und verloren. Eine andere Fotografie zeigt den jungen Ochola Jhon aus Uganda in Nahaufnahme. Die Bildunterschrift erzählt von seinem Schicksal: Ochola wurde fälschlicherweise für einen Soldaten der Regierungsarmee gehalten, von LRA-Rebellen verschleppt und von Kindersoldaten mit Macheten verstümmelt. Nach einiger Zeit konnte er fliehen und lebt mittlerweile zusammen mit seiner Familie in einer armseligen Hütte.
Die Fotografien zeugen von einer besonderer Nähe und Intimität, die Püschner und Schultze zu den abgebildeten Menschen zu haben scheinen. Ausstellungskurator und Stifter Michael Horbach zeigt sich besonders beeindruckt von der Tatsache, dass die Fotografen den abgebildeten Menschen einen Namen gegeben haben. „Jeder hat das Recht mit seinem Namen veröffentlicht zu werden“, meint er. So wirkt das Schicksal jedes einzelnen auf einmal persönlicher und sehr nah.
Im dritten Ausstellungsraum sind Fotografien des jungen Künstlers Sinawi Medine zu sehen, der selbst Flüchtling aus Eritrea ist. Er hat im März und April 2016 die Hilfsaktion des Rettungsbootes „Aquarius“ begleitet und fotografisch dokumentiert. Viele seiner Werke sind in Schwarz-weiß fotografiert, ein Aspekt der die Not und das Elend der Menschen besonders hervorhebt. Auch ein Kleinkind ist an Bord des Rettungsbootes. In den Armen seines Vaters blickt es aus einem Guckloch des Schiffs in die ungewisse Zukunft. Mit einem Fokus auf den Mikrokosmos eines einzelnen Rettungsbootes, unterstreicht Medine das schwere Schicksal und das damit verbundene Leid jedes einzelnen Flüchtlings. Während des Betrachtens der Fotografien wird einem bewusst, dass solche Rettungsboote jeden Tag aufs Neue unterwegs sind und dass das Meer immer unberechenbar und gnadenlos bleiben wird.
„Menschen auf der Flucht“ | bis 19.3. | Michael Horbach Stiftung, Wormser Str. 23 | 0221 29 99 33 78
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