Die aktuelle Jahresausstellung des Kolumba startet spektakulär zurückhaltend und bringt ihr Thema ganz beiläufig auf den Punkt: Es geht um den Künstler und sein Verhältnis zum Material, um die Arbeit mit den Händen und aus der Handlung heraus. Um das gestische Denken und den Impuls des Schaffens, aus denen ein eigenständiges Kunstwerk erwächst.
Im Kolumba gibt es dazu vorrangig stille Werke zu erleben. Gleich im ersten Raum ein milchig weißes Wandobjekt von René Zäch aus Holz, bei dem man sich fragt, was es darstellt und ob es nicht eine praktische Funktion hat – und damit schon in seinen Fängen ist. Wenige Schritte weiter ist das Video „S culture physique“ (2002) von Eric Hattan zu sehen, in dem die Kamera über 20 Minuten beobachtet, wie ein städtischer Arbeiter improvisierend und probierend Sperrmüll auf eine Ladefläche verstaut. Auf derartigen geschichteten Bauelementen aus der Möbelindustrie sitzend, den Straßensound über Kopfhörer vernehmend, erkennt man plötzlich, wie nah dieser Prozess des Zusammenstellens und Ordnens dem Handeln eines Künstlers kommt.
Auf dem Rundgang dauert es nicht lange, bis man die Umkehrung erlebt und einen „richtigen“ Künstler in einer Fotoserie entdeckt, Mladen Stilinović, der das Klischee vom Künstler im Bett in Variationen durchspielt – und auch da merkt man, ganz so bequem ist der Künstler ja gar nicht, jede Handlung, liegend im Bett, ist ein bewusster Vorgang. In der Ausstellung wechseln sich derartige Positionen, die das Künstler-Sein und das Produzieren von Kunst thematisieren, mit solchen ab, die über das Werk den Künstler weiter in den Vordergrund rücken. Alte, sakral motivierte Kunst und Kunst der Gegenwart interagieren über ihre Präsentation. Die Hinwendung auf Alltag und dessen kleine Handlungen lenkt den Blick auf die Fluxus-Bewegung der 1960er-Jahre, die Aktion und Spiel behandelte. Wunderbar sind die aufsteigenden Foto-Lithografien mit Künstler:innen-Handflächen von Robert Filliou, die stufig zur Treppe gehängt sind. John Cage, der Alltagsgeräusche und Kreativität erforschte, wird in Vitrinen gewürdigt, und mit Terry Fox ist, fast zwingend in diesem Kontext, einer der Hauptkünstler des Kolumba gleich an mehreren Stellen vertreten.
In der Tradition dieser Künstler steht Manos Tsangaris, der eine riesengroße Kugelbahn geschaffen hat, inmitten der man auf einem Stuhl Platz nimmt. Alles läuft so herrlich anarchisch und doch raffiniert choreographiert ab, aber eben nicht perfekt: Das Handwerkliche und die Baumarkt-Materialität gehen mit Kunstfertigkeit und der vibrierenden Gleichzeitigkeit von Bewegung und Klang einher. Spartanisch in seinem Minimalismus und zugleich ironisch gesellt sich ein Objekt von Georg Herold dazu, welches noch den Wert von Kunst befragt. Gefreut haben wir uns aber auch, dass das Werk von Inge Schmidt vorgestellt wird. Ihre zarten und robusten wesenhaften kleinen Skulpturen können in ihrer Differenziertheit, ihren direkten Verweisen auf das Alltägliche und im Assoziationsreichtum gar nicht genug geschätzt werden. Im Kolumba nehmen sie spielerisch die Wand ein, deren Höhe und Weite noch deutlich wird: Die Kunst erobert sich ihren Raum.
Artist at Work | bis 14.8. | Kolumba | 0221 933 19 30
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