Wo beginnt der Ort, an dem wir sind, und in welchem Verhältnis stehen wir zu ihm? Was bleibt, wenn wir weg sind: vom Ort und in unserer Erinnerung? Und wie definieren sich Orte – reicht eine farbige Stange, vertikal aufgestellt im entgrenzenden Schnee der Antarktis, genügt ein Gedanke oder ist die weitere Identifikation dafür Voraussetzung? Komplex assoziativ und mit dem Resonanzraum, den die Sammlung alter und sakraler Kunst mit ihren Ausläufern in die zeitgenössische Kunst für das Kolumba vorgibt, taucht die aktuelle Jahresausstellung in ihr Thema „Ort & Subjekt“ ein.
Sie ist vom Titel eines Werkes der hier ebenfalls vertretenen Roni Horn inspiriert: „Dafür sorgen, dass hier zu sein genügt“. Es gibt im relativ unberechenbaren, nie langweiligen Ausstellungsparcours Momente, in denen man sich fragt, worin der Kontext besteht, und lernt doch von herausragenden Kunstwerken. Dann wieder ist die thematische Referenz überdeutlich. Etwa bei Terry Fox mit seinem „Site Pendulum“ aus einer Klaviersaite mit einer Bleikugel, die um ein Wasserglas kreist. Schwingende Bewegung, Zeit und Radius werden ebenso zu Aspekten wie die Frage, wie sich der Betrachter dazu verhält. Fox stellt Situationen her, welche Skulptur – als Reflexion über die Schwerkraft – und prozessuale körperliche Erfahrung sind: Subjekt und Objekt treffen sich an diesem Ort.
Den Lokalkolorit demonstriert Merlin Bauer (teils mit BeL), und auch wem der Spruch „Liebe deine Stadt“ auf die Nerven gehen mag, der ist doch beeindruckt von der präzisen Einfügung der Installation in das Obergeschoss des Kolumba und dem feinen Humor der Referenzen. Stefan Lochners berühmtes Gemälde „Muttergottes mit dem Veilchen“ (um 1450) hat den Standort seiner Hängung gewechselt. Dort zeigen nun die Künstler:innen von X-Süd in Zusammenarbeit mit raumlaborberlin ihren Entwurf für ein inklusives Kunsthaus auf dem Gelände der Hallen Kalk: Wie schön, dass die Kuratoren dazu den Blick aus dem Fenster des Zumthor-Museums lenken, das ja seinerseits über der Kirchenruine St. Kolumba mit Gottfried Böhms Kapelle errichtet wurde.
Noch mal das Wasserglas: Erstaunlich ist innerhalb der Ausstellung die Reihe der kleinen Gemälde „Tag um Tag ist guter Tag“ von Peter Dreher. Ein stereotypes halbvolles Wasserglas steht auf einer neutralen Ebene. Peter Dreher hat diese Gläser am immer gleichen Ort gemalt, einem kleinen Atelier in Südbaden. Das Wasserglas bestand eigentlich aus einer Schablone, damit die Form nicht ablenkt von den Lichtverhältnissen und ihrem Wechsel, dem Raumklima, von der Wiedergabe der eigenen Gestimmtheit mit der Beweglichkeit der Hand im Kontinuum der Zeit, die sich doch immer wieder unterscheidet, als Subjektivität an objektiver Stelle. Eine weitere unerwartete sichtbare Präsenz eines Ortes findet sich, derart sensibilisiert, auch bei Jannis Kounellis‘ so vertrauter Installation „Tragedia Civile“. Vielleicht ist ja der Garderobenständer, der vor der reflektierenden Goldwand steht und an dem Mantel und Hut hängen, der ideale Ort: für Heimat und Identität, selbst dann, wenn die Bühne verlassen wurde.
making being here enough | bis 14.8.2023 | Kolumba | 0221 933 19 30
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