Der New Yorker Paul Thek (1933-88) war ein Künstler für Künstler, der schon zu Lebzeiten, besonders auch in Deutschland, hoch angesehen war. Immer wieder wurde ihm eine geistige Verwandtschaft mit Joseph Beuys attestiert, im prozesshaften Charakter der Arbeiten, im Interesse an Material und in der offenen Form, die von philosophischen und metaphysischen Gedanken geprägt ist. Lange vor seiner Eröffnung, noch in der Konzeptionsphase, ist das Kolumba auf Thek aufmerksam geworden. 1991 erwarb es seine erste Arbeit, „Fisherman in Excelsis Table“: eines der Hauptwerke dieses Künstlers und der Start einer konzentrierten Ankaufstätigkeit seiner Werke. 2001 wurde dieses Engagement durch die Überlassung weiterer Werke von der Schwester von Paul Thek belohnt, und das alles mit dem Ergebnis, dass das Kolumba heute den umfassendsten Bestand überhaupt zu dem amerikanischen Künstler besitzt.
In seiner aktuellen Jahresausstellung liefert das Museum einen Überblick über diese Sammlung. Aber da Thek selbst seine Werke in ständiger Veränderung verstanden hat und Neugruppierungen nicht ausschloss, macht es Sinn, dass das Kolumba sie nun in einen offenen Dialog mit weiteren Werken des Gottesdienstes und der alten und der zeitgenössischen Kunst setzt.
Paul Thek war ein Alleskönner, das ist ein weiterer Eindruck der Schau im Kolumba, die neben den plastischen Ensembles und Objekten auch Fotografien, Texte, Zeichnungen und Gemälde umfasst. Seine Malereien wirken noch im Kleinen monumental, sie sind lapidare Weltentwürfe mitten im Blau des Universums in Andeutungen, die genau dort innehalten, wo die eigenen Assoziationen einsetzen. Und die Zeichnungen besitzen oft den Charme und den Witz der (zeitgleichen) Blätter von Sigmar Polke und sind natürlich doch wieder ganz anders. Aber warum Paul Thek im Kolumba? Thek wurde um 1970 im künstlerischen Kontext der „Individuellen Mythologien“ bekannt mit plastischen Arbeiten, die aus fragilen, mitunter vergänglichen Materialien temporär errichtet waren.
Spektakulär sind besonders seine „Fleisch“-Stücke aus Wachs und die versehrten Figuren, abgegossen vom eigenen Körper und mit architektonischen Versatzstücken inszeniert. Es geht um körperliche, aber auch geistige Existenz, wobei sich Thek auf Erfahrungen mit dem Christentum beruft. Er kommt aus einem religiösen Elternhaus, lernt auf seinen Aufenthalten in Europa die italienische Volksfrömmigkeit kennen und hat sich in Interviews zur Religiosität geäußert. Dies gipfelt in dem Satz „Art is Liturgy“, der nun Titel der Ausstellung im Kolumba ist.
Das Spirituelle in der Kunst
Dabei beginnt alles ganz anders im Kolumba. Im ersten Raum läuft man an einem riesigen Bild des jungen Malers Robert Klümpen vorbei und versucht, seinen Standpunkt davor zu finden. Klümpen zeigt in locker expressivem Duktus den Blick längs durch das Mittelschiff einer Kirche Richtung Altar, als räumlicher Sog, bei dem wir als Betrachter aktiv ins Spiel kommen. Architektur wird zum spirituellen Resonanzraum, der erst durch das Publikum zum Klingen gebracht wird und hier doch zugleich Illusion ist: als flächige Malerei auf Leinwand. Dieser Bezug von physischer Präsenz und Vergeistigung ist ein Leitmotiv der Ausstellung im Kolumba. Ein weiteres Charakteristikum der ausgestellten Kunst ist ihr dezidiert meditativer Zug. Und ein drittes betrifft eben die Frage, inwieweit Kunst christliche Gedanken umschreibt, auch wenn sie selbst gar nicht so christlich sein muss … Im Ausstellungsparcours geht es dinglich weiter, mit dem ersten Werk von Thek: Über unseren Köpfen befindet sich an einem Stab ein formloses Stück Fleisch. Das Rot, das hier als Blut definiert ist, animiert dazu, die paar Schritte zurückzulaufen und sich zu vergewissern, ob es nicht dem Rot der Fliesen im Gemälde von Robert Klümpen entspricht.
Die Ausstellung forciert Analogien, noch im Transfer von einer Bedeutungssphäre in die andere, zielt also auf den Vergleich. Da ist das Liegen, wie es Paul Thek bei zwei lebensgroßen Figuren – die eine auf dem Boden, mit Fischen, die sozusagen über sie hinwegfegen; die andere über unseren Köpfen, unter einem hängenden Tisch und quasi als zerfledderter Leichnam – vorführt und mit unterschiedlichen Bedeutungen auflädt. Dies kommuniziert mit einer fotografischen Sequenz von Jürgen Klauke, die das Schlafen in einem Bett – und das Verschwimmen der Körperkonturen – als Szene der Entäußerung aufführt. Direkt gegenüber hängt eine Pietà, die um 1800 entstanden ist.
Haltungen und Gesten
Am stärksten ist die Präsentation im Kolumba, wenn sie sich mit der Andeutung begnügt. Und das trifft vor allem bei Werken anderer Künstler zu. Überraschend intensiv sind etwa die großformatigen Kohle-Zeichnungen von Herbert Falken, die zwischen Figur-Werdung, deren Umschreibung und gleichzeitiger Auflösung, auch im ausgreifenden Gestus eine Vergewisserung des Da-Seins sind ... Natürlich wäre noch auf die so wichtige Ausstellung zum Eucharistischen Kongress hinzuweisen, die in der Jahresausstellung implantiert ist und mit ihren Vitrinen mit Missalen und den liturgischen Gerätschaften vorzüglich als Raumensemble gelingt und sozusagen zu den feierlichen Inszenierungen der Werke von Jannis Kounellis und Michael Buthe vermittelt. Und manchmal wünscht man sich dann doch, nicht immer auch Paul Thek im Blick zu haben, etwa im stillen Gespräch zwischen Stefan Lochners Veilchen-Madonna und dem Epitaph für Paul Strauß aus der Werkstatt von Friedrich Herlin, also zwischen Malereien aus dem 15. Jahrhundert. Der Grat zwischen Konzentration und Unruhe ist in dieser Ausstellung schmal. Man sollte sie unbedingt sehen – lange dauert sie nicht mehr – schon wegen Paul Thek.
„Art is Liturgy – Paul Thek und die Anderen“ und „trotz Natur und Augenschein. Eucharistie – Wandlung und Weltsicht“ I bis 15.8. I KOLUMBA, Köln I www.kolumba.de
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