So viele fotografische Bilder, in Schwarz-Weiß, im kleinen Format in Reihen und Blöcken. Zu sehen sind lakonische, teils vergrößerte Ausschnitte von Pflanzen. Die Graustufen tragen dazu bei, dass die Gewächse plastisch und zugleich grafisch umrissen wirken. Nichts von all dem wiederholt sich, jedes Bild ist einmalig.
Heute, lange nach seinem Tod, gilt Karl Blossfeldt als Star der Fotografie, der über die Kunstszene hinaus bekannt ist. In Zeiten, in denen die Fotografie als technisches Werkzeug galt, nahm er eine Vorreiterrolle ein. Was nun in der Photographischen Sammlung, geordnet nach Pflanzensorten, auf Silbergelatine-Abzügen zu sehen ist, lässt über Größe, Stofflichkeit, Verletzlichkeit und Widerstandsfähigkeit nachdenken und löst als höchst konzentrierte Formen vielfältige Assoziationen aus. Das vergleichende Sehen macht es noch schöner. Und so umfassend, begleitet von frühen Bronzeskulpturen, konnte man Blossfeldts Fotografien vor neutralem Grund noch nicht sehen. Ausgestellt sind, als Leihgaben aus dem Archivbestand der Universität der Künste Berlin, 271 Original-Abzüge von etwa 6.000 Aufnahmen, die Blossfeldt bis zu seinem Todesjahr 1932 aufgenommen hat. Er fokussiert die Stängel der Pflanzen, oft nur deren Abschluss. Mit den Einkerbungen gewinnen die einzelnen Segmente und damit der vertikale Aufbau an Deutlichkeit. Er hat auch von oben fotografiert oder die Pflanzen zuerst mit und anschließend ohne die äußeren Blätter fotografiert.
Karl Blossfeldt wurde 1865 in Schielo im Harz geboren. Er hat erst eine Lehre in einer Kunstgießerei absolviert und dann an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin studiert. Ab 1899 unterrichtete er hier selbst „Pflanzenmodellieren“ als Ergänzungsunterricht zur Abteilung Bildhauerei. Nachdem er sich bereits seit 1885 mit dem neuen Medium auseinandergesetzt hatte, entstanden seine Fotografien nun als Anschauungsmaterial für das „Modellieren von lebenden Pflanzen“, ganz einfach: weil die Pflanzen zu schnell verwelkten, um als Modelle zu taugen. Blossfeldt war an Objektivität interessiert, am sezierenden Blick, der sich den Einzelstrukturen zuwandte und diese aus dem Zustand des vermeintlich Selbstverständlichen und immer Gleichen herausholte. Zu viel an Subjektivität und Neugierde am Sehen steckt in jeder der Aufnahmen, um mit Wissenschaftsfotografie unterm Mikroskop verwechselt zu werden. Hingegen erinnern seine Ausschnitte an Ornamente, metallische Härte und architektonische Details. In ihrer Präzision und Komposition trafen diese Aufnahmen zugleich den Geschmack des Magischen Realismus und der Neuen Sachlichkeit, der Zeitstile dieser Jahre. Der Durchbruch als Künstler gelang Blossfeldt 1928 mit seiner Veröffentlichung „Urformen der Kunst“ zu seinen Ausstellungen in Berlin, im Landesmuseum Oldenburg und am Bauhaus Dessau. Heute ist sein Werk etabliert. Es folgt, in Köln unterstützt durch die Präsentation, dem Verfahren der typologischen Reihe von August Sander bis Bernd und Hilla Becher und darüber hinaus. Und es zeigt, wieder anders als Imogen Cunningham und Robert Mapplethorpe, was für Wunderwerke die Natur bereithält, im Unscheinbaren, Übersehenen.
Karl Blossfeldt – Photographie im Licht der Kunst | bis 3.2. | Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur | 0221 88 89 53 00
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