In Krisen- und Umbruchzeiten, noch dazu in Köln mit seinen vielen Baustellen kultureller Institutionen, zeigt sich erst recht, wie lehrreich und entspannend Museen sein können. Was sind überhaupt Museen, wann sind sie entstanden und was ist in ihnen zu sehen? Das und die Geschichte der Präsentation von Kunst ist das Thema von „Museum der Museen“, der aktuellen Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum. Sie hinterfragt die Institution Museum und zeigt, wie sich ihr Selbstverständnis über die Jahrhunderte geändert hat und die Bevölkerung zum wirklichen Adressaten wurde.
Den Ausgangspunkt bilden die Wunder- und Kunstkammern des 16./17. Jahrhunderts, als weite Reisen zunehmend möglich wurden. Die Zeugnisse des Fernen und Exotischen wurden als Mitbringsel zu den Herrschern, Kirchenfürsten und den Naturwissenschaftlern gebracht. In der Wunderkammer befanden sich die angeeigneten Objekte mit den Kuriositäten und präparierten fremden Tieren als Welterklärungsmodelle in Regalen: Ein moderater Entwurf davon leitet die großartig inszenierte Ausstellung ein. Daneben steht die reine Kunstsammlung, die wandfüllend gehängt ist und ebenso vom Bürgertum angelegt wurde.
Einer der Sammler war Ferdinand Franz Wallraf, der als Professor an der Universität Köln lehrte und deren Rektor war. Ursprünglich als Lehrsammlung mit Mineralien und Fossilien begonnen, erweiterte er seine Sammlung zunehmend um Kunst. Ab 1827 wurde seine enzyklopädische Sammlung im Wallrafianum im damaligen „Kölner Hof“ ausgestellt. Sein 200. Todesjahr wird jetzt in der Ausstellung mit einem eigenen Saal gewürdigt. Nun sind auch seine Grafiken mit exotischen Tieren zu sehen und bringen, arrangiert von Monika Bartholomé, einen heiteren Ton in die Ausstellung. Und dann folgen, in der Rekonstruktion einer Präsentation im Museum im frühen 20. Jahrhundert, die Meisterwerke der Malerei.
Klugerweise endet die Ausstellung mit radikalen Entwürfen für das Museum im 20. Jahrhundert. Eine Herausforderung ist die digitale Zukunft, in der inmitten all der digitalen Aufarbeitung im Internet einerseits und der immersiven Entwürfe andererseits die Meisterwerke mit ihrer Aura verloren gehen könnten. Die Beispiele des 20. Jahrhunderts hingegen forderten einen unkonventionellen Zugriff auf diese, jenseits aller Bildungskonventionen. In „Rolywholyover“ von John Cage sind zufällig ausgewählte Kunstwerke verschiedener Museen zusammen ausgestellt, wobei sogar die Präsentation ausgelost ist. Und Daniel Spoerris „Musée sentimental de Cologne“ zeigt in alphabetischer Reihenfolge Gegenstände des Alltäglichen und Besonderen, welche die Stadt und ihre Geschichte begreifbar machen. So unspektakulär dieser Saal ist, so wichtig ist er plötzlich, weil Spoerri, der als Professor an den Werkkunstschulen in Köln gelehrt und die Eat Art in Düsseldorf etabliert hat, Anfang November verstorben ist. Begonnen hat die Ausstellung als Feier für ihren Namensgeber, nun wird sie zu einer Erinnerung an den großartigen Künstler und Weltbürger, der den Alltag in die Kunst und die Kunst in den Alltag bringen wollte. Die Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum zeigt, wie’s geht.
Museum der Museen | bis 9.2. | Wallraf-Richartz-Museum | 0221 211 19
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Eine Geschichte des Ausstellens
„Museum der Museen“ im Wallraf-Richartz-Museum
Anpassung und Eigensinn
„1863 – Paris – 1874: Revolution in der Kunst“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 05/24
Eine schrecklich alte Geschichte
„Susanna“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 12/22
Geduldiges Sehen
Spanische Barockmalerei im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 09/21
„Wir haben alles, was man für eine Party braucht“
Isabelle Hamm und Annika Flamm zur 16. Kunstnacht – Interview 02/20
Rembrandts Leben
Eindrucksvoll: Rembrandt im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 02/20
Weites Land
Amerikanische Kunst im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 01/19
Großer Bahnhof für ein altehrwürdiges Tafelbild
Die „Thronende Madonna“ bleibt im Wallraf-Richartz-Museum – Kunst 09/18
Spielend Kunst verstehen
Studenten entwickeln Videospiele für das Wallraf-Richartz-Museum – Kunst 06/18
Film zur Ausstellung
„I Am Not Your Negro“ im Filmforum – Foyer 03/18
Ein genialer Maler
Tintoretto mit seinem Frühwerk im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 12/17
Über der Landschaft
„heiter bis wolkig“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 10/17
Vorgarten der Unendlichkeit
Drei Ausstellungen zwischen Mensch und All – Galerie 12/24
Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24