Eine der großartigsten Leistungen der damaligen Welthauptstadt der Kunst feiert Jubiläum: Vor 150 Jahren fand in Paris die Ausstellung statt, die den Impressionismus begründete, mit Degas, Monet, Morisot, Renoir und Sisley. Dabei war die „Première Exposition“ der Société anonyme des artistes peintres, sculpteurs, graveurs, etc. (übersetzt: Anonyme Gesellschaft von Malern, Bildhauern, Graveuren usw.) damals, 1874, alles andere als ein rauschendes Fest der Kunstöffentlichkeit – sie war „anti“ und fand als Gegenveranstaltung zum jährlichen jurierten Salon statt, in dem sich die Besucher drängten, Stile und Inhalte bestätigt oder verrissen und Kunststars gekürt wurden. All das ist der Kontext, dem das Wallraf-Richartz-Museum nachgeht, um die Entstehung des Impressionismus zu verdeutlichen und ihn mit Meisterwerken zu zelebrieren.
Der Pariser Salon dieser Jahrzehnte war, in jährlichem Turnus, eine kulturelle und gesellschaftliche Institution, in der in dichter Hängung vorgestellt wurde, was angesagt war. Und obwohl der Salon bildgewaltig die Botschaften der politischen Machthaber unterstützte, war es ausgerechnet Napoleon III., der 1863 die Aktivitäten unzufriedener und ausjurierter Künstler und Künstlerinnen kanalisierte. Die Kunst, die das Wallraf-Richartz-Museum jetzt zeigt, stammt aus den Gegensalons dieser Jahrzehnte, aber auch aus den offiziellen Salons selbst. Es ist klug, dass die Ausstellungstexte knappgehalten sind und die Bilder umso mehr – geordnet nach Genres und Motiven – für sich wirken, klug aber auch, in den Bildlegenden die damaligen Ausstellungen zu erwähnen. Zu sehen sind Gemälde – und einige Bronzeskulpturen – aus dem eigenen Sammlungsbestand sowie von über 50 Leihgebern aus Europa und den USA. Die Hauptkünstler dieser Jahrzehnte sind dadurch mit mehreren, sich gegenseitig erhellenden Werken vertreten, Degas mit seiner „Probe im Tanzsaal“ etwa oder Claude Monet mit seinen Schilderungen von Licht und Wind in den Bäumen und auf der See. Ganz großes Kino ist der im Querformat liegende „Tote Torero“ (um 1864) von Èdouard Monet, der aus der National Gallery in Washington ausgeliehen wurde und nun auf seine Aquatinta-Radierung mit dem gleichen Sujet aus der Sammlung des Kölner Museums trifft. Manet, dieser unangepasste, künstlerisch revolutionäre Maler, ist mit dem „Toten Torero“ zugleich ein Beispiel für die Macht und Wirkung des Pariser Salons: 1864 wurde die ursprüngliche „Episode aus einem Stierkampf“ im offiziellen Salon ausgestellt – und heftig kritisiert. Nach Ausstellungsende zerschnitt Manet das großformatige Gemälde. Einer von zwei Teilen, die er selbst erhalten hat, ist das Bild mit dem Torero.
Auch die damals etablierten, dem Realismus mit allen seinen Varianten verpflichteten Künstler und Künstlerinnen werden vorgestellt, die weitgehend vergessenen Albert Anker und Alphonse Lagros, die bis heute zu wenig beachtete Éva Gonzalès oder der großartige Henri Fantin-Latour mit der Darstellung eines blühenden Rhododendronzweigs, andererseits die symbolistisch angehauchte Szene der Maria Magdalena von Puvis de Chavannes oder die expressive mythologische Malerei von Gustave Moreau: Auch das ist große Kunst in einer aufregenden Ausstellung.
1863 – Paris – 1874: Revolution in der Kunst | bis 28.7. | Wallraf-Richartz-Museum | 22 12 11 19
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