Fliegende Übergabe: Achim Sommer ist als Leiter des Max Ernst Museums des LVR in Ruhestand gegangen und Madeleine Frey hat seine Nachfolge angetreten. Die letzte Ausstellung, die Sommer jetzt – gemeinsam mit Friederike Voßkamp – kuratiert hat, zeigt weder Werke von Max Ernst (1891-1976) noch stellt sie andere, ihm wesensverwandte Positionen vor, aber sie handelt mehr denn je vom großen Künstler. Sie präsentiert fotografische Aufnahmen, auf denen er zu sehen ist: immer im Mittelpunkt, immer im Bewusstsein der Kamera, für die er sich einmal mehr, einmal weniger in Szene setzt. Sie thematisiert seine Prominenz, seine Existenz als Künstler und seine kontrollierte Privatheit. Sie vermittelt, wie Fotografen und die Öffentlichkeit ihn sahen und wie er selbst gesehen werden wollte.
Der in Brühl geborene, später in Paris und den USA und dann wieder Frankreich ansässige Vertreter des Dadaismus und Surrealismus gilt als meist fotografierter Künstler nach Picasso und Warhol, was außer seiner Berühmtheit und öffentlichen Präsenz bestimmt auch an seinen fotogenen Auftritten liegt und dass er die Fotograf:innen an seiner Arbeit wie auch an seinem Privatleben Anteil nehmen ließ, ja, die engsten Freunde aus den Künstlerkreisen selbst fotografiert haben – ob Man Ray, Paul Éluard, Lee Miller oder Henri Cartier-Bresson. Dabei war die Fotografie zu Zeiten der Surrealisten ein „Zauberwerk“ und zu Lebzeiten von Ernst einziges, sorgsam betriebenes Medium der dokumentarischen Erfassung, erschwert durch die beiden Weltkriege und den Umzug auch an abgelegene Orte, was seinen Ruhm aber nicht aufhalten konnte.
Und so berücksichtigt die Ausstellung – in richtig guter Strukturierung und mit Perspektiven, aus denen man verschiedene Kapitel gleichzeitig sehen kann – den frühen Max Ernst und seine Kontakte im Surrealisten-Milieu im Paris der 1920er und 1930er Jahre ebenso wie seine Jahre im Exil in der Wüste von Arizona mit Dorothea Tanning, aber auch ihn allein, für das Porträt innehaltend oder bei der Arbeit im Atelier. Leonora Carrington und sein Freund Man Ray sind ebenfalls wiederholt mit ihm abgelichtet. Am Ende des Ausstellungsraums sieht man Ernst dann bei Repräsentanz-Terminen wie der Einweihung öffentlicher Skulpturen und der Verleihung einer Ehrendoktorwürde. Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen die beiden Aufnahmen, die Dorothea Tanning und Max Ernst an der Monumentalplastik „Capricorne“ zeigen, aufgenommen im Abstand von Jahrzehnten: 1948 von John Kasnetsis – ein ikonisches Bild unter den Max Ernst-Fotografien – und 1973 von Jacqueline Hyde. Ausgestellt ist eine Auswahl von 150 Fotografien aus dem rund 900 Aufnahmen umfassenden Sammlungsbestand des Museums. Fast könnte man von einem Who's who der Fotografen der damaligen Jahre sprechen, zugleich deutet sich damit an, wie gut vernetzt und zugleich umgänglich Max Ernst war. Die Kunstwerke selbst stehen kaum im Fokus und tauchen sogar bei den Aufnahmen anlässlich ihrer Einweihungen allenfalls angeschnitten auf. Kein Problem! Hier, an diesem Ort in Brühl, befindet sich schließlich gleich nebenan das Museum zu seinem Schaffen.
Image. Max Ernst im Foto | bis 23.4. | Max Ernst Museum Brühl des LVR | 02232 579 30
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Funktion und Kultur
Die „Ladentische“ von Anja Schlamann in der Michael Horbach Stiftung
Ein Weltstar der modernen Skulptur
Surreal beleuchtet: Alberto Giacometti in Brühl
Lebende Pflanzen in Schwarz-Weiß
Karl Blossfeldt in der Photographischen Sammlung im Mediapark
Zauber der Großstadt
Nevin Aladağ im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ohne Filter
„Draussensicht“ in der Oase – Kunstwandel 01/24
Ereignisreiche Orte
Simone Nieweg in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung im Mediapark – kunst & gut 11/23
Sehen in Lichtgeschwindigkeit
Horst H. Baumann im Museum für Angewandte Kunst – kunst & gut 10/23
Lichterfüllte, funktionale Orte
Lucinda Devlin mit einer Werkschau in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 04/23
Formen und Strukturen
Drei Alfred Ehrhardt-Programme im Filmhaus – Film 04/23
Orte in der geformten Landschaft
Sammlungspräsentation Teil 2 der SK Stiftung Kultur – kunst & gut 10/22
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24
Atem formt Zeit
Alberta Whittle in der Temporary Gallery – Kunst 07/24
Niemals gleich
Roni Horn im Museum Ludwig – kunst & gut 07/24