Die Schlange ist lang an diesem Freitagabend im Kölner Stadtgarten. So lang, dass einige Besucher draußen warten müssen, um hereingelassen zu werden. Zum nunmehr neunten Mal lud die Cologne Music Week zu einem Konzert musikalischer Neuentdeckungen und lokaler Bands ein. Den Auftakt macht May, eine Newcomerin aus Belgien, die mal in Brüssel, mal in Köln, aktuell in Belgien, wohnt. Seit fünf Jahren hat sich die 28-Jährige der Musik verschrieben. May wirkt zurückhaltend. Mit souliger Stimme haucht sie gefühlvolle Popsongs in ihr Mikro. Größtenteils als Solokünstlerin. Begleitet wird sie an diesem Abend nur von einem einzigen Musiker, der aussieht, als wäre er gerade erst 18 geworden. Mays soulig angehauchte Pop-Lieder sind von einer erstaunlichen Naivität gekennzeichnet. Eine Naivität und unverbrauchte Reinheit, wie sie nur selten existiert. Ihre Songs namens „Fallin‘“, „Free“, „Soul“ oder „Clouds“ handeln von Liebe, Liebeskummer und Weltschmerz. Soeben ist ihre erste EP erschienen. Der passende Titel: „This is Pure“.
Dann erobert die Kölner Band Holygram die Bühne, und die musikalische Stimmung wechselt von Pop zu düsterem Dark Wave. Mit einer grandiosen Coolness schmettert das Quintett dem Publikum Schlagzeugbeats und Electrosounds, die es in sich haben, entgegen. Jenes ist ad hoc begeistert. Holygram, das sind Dark-Popper. Fünf Jungs aus Köln, die dunkle Klamotten, Lederjacken und Mützen tragen. Krautrock vom Feinsten. Düsterer atmosphärischer Postpunk, dem es trotz Melancholie gelingt, nicht in kitschigem Selbstmitleid zu zerfließen. Dafür sorgt der schnelle Beat, der der Traurigkeit einen solchen Schwung verpasst, dass sie dem Publikum nur so um die Ohren fliegt. Selten findet sich heutzutage noch so ein Mut, dem Zuhörer die innersten Gefühle wortwörtlich um die Ohren zu knallen, ohne das Ganze mit optimistischen Floskeln oder nichtigen Tönen zu überspielen. Die Dark-Wave-Band steht zu ihrer Post-Punk-Depression.
Bei dieser Gelegenheit präsentiert sie ihr gleichnamiges Debüt-EP „Holygram“. Die sich darauf befindenden Tracks heißen „Hideaway“, „Daria“, „Acceleration“, „Still There“ und „Distant Light“. Bisweilen erinnert die Stimme des Sängers ein wenig an die von Robert James Smith oder auch Dave Gahan. Und auch die Mischung aus düsterem Inhalt verpackt im lustig-schnellen und schrägen Beat-Gewand ähnelt ein wenig Post-Punk-Größen à la The Cure. Ebenfalls bemerkenswert ist die Fertigkeit des Drummers, seine Haarmatte gekonnt lässig permanent über sein Schlagzeug baumeln zu lassen, während er auf jenes eindrischt. Holygram – eine Band, deren Musik Spaß macht und die das Potenzial hat, mal zu etwas Größerem zu werden. So sieht es wohl auch das Publikum, das konstant mittanzt.
Holygram und May – unterschiedlicher könnten zwei Acts und Musikstile wohl nicht sein, aber vielleicht liegt genau darin der Reiz des Abends. Die Cologne Music Week hat jedenfalls Musikinteressierten mal wieder eine Möglichkeit geboten, in neue und teils unbekannte akustische Welten abzutauchen. Und das für umsonst.
Der nächste Auftritt von Holygram ist am 25.3. bei Attaque Surprise im Tsunami Club.
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