Am 8. Oktober fand die von der Filmwirtschaft mit Spannung erwartete Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht zum Filmförderungsgesetz statt. Geklagt hatte die Multiplex-Kette UCI, da das Unternehmen bezweifelt, dass die Filmförderungsanstalt, die sich unter anderem aus der Abgabe aus den Kinoumsätzen speist, verfassungsgemäß ist. Die von der FFA geförderten Spielfilme seien nicht nach Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit produziert und spielen für das kommerzielle Kino keine nennenswerte Rolle. Im Übrigen sei, so die Argumentation, der deutsche Film im Regelfall durch amerikanische Filme substituierbar. In einer umfangreichen Klageschrift sollte der Nachweis erbracht werden, dass die von der FFA geförderten Filme bestenfalls nach kulturellen Gesichtspunkten produziert würden. Und damit sei – da Kultur Länderhoheit ist – die Filmförderungsanstalt (FFA) verfassungswidrig. Soweit die Klage, die von einer überwältigenden Mehrheit der Branche als Frontalangriff auf eine Jahrzehnte erprobte und als erfolgreich angesehene Strukturverbesserung der deutschen Filmproduktion angesehen wurde.
Der Zweite Senat unter Vorsitz von Andreas Voßkuhle begegnete den Plädoyers der Beschwerdeführer und dem für das Gesetz verantwortlichen Bundeskulturministerium mit großer Sachkenntnis und zahlreichen kritischen Fragen. Die anwesende Präsidentin der deutschen Filmakademie Iris Berben attestierte dem Richter-Gremium deshalb auch eine hohe Filmkompetenz und wurde anschließend mit dem Satz „Das scheinen Kinogänger zu sein“ zitiert.
Und dennoch: Die eindrucksvolle Präsenz der deutschen Filmwirtschaft, die den Erhalt der Filmförderung gegen die Klage zu verteidigen suchte, die überzeugenden Plädoyers der Experten konnten keinen argumentativen Durchmarsch erreichen. Vielmehr ließ das Gericht an vielen Stellen erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Kinoabgabe (bis zu 3% der Kartenumsätze) erkennen, zu der das Gesetz alle Kinos verpflichtet. Vor allem die von UCI beklagten, nicht ausreichenden Wirtschaftlichkeitskriterien zur Filmförderung wurden auch vom Gericht identifiziert.
Als weiterer Schwachpunkt des Gesetzes wurde die fehlende Gruppennützlichkeit der durch die Filmabgabe ebenfalls finanzierten Förderung für die Kinos festgemacht. Denn die Gelder der einzahlenden Kinos werden mitunter dazu verwendet, der direkten Konkurrenz zu mehr Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen. Dieser regulierende Eingriff steht im Widerspruch zu der Wettbewerbsneutralität der Fördermittel.
An einer Stelle knickte die Argumentation von UCI dann doch ein: Angesichts eines Marktanteils des deutschen Films von 25% im ersten Halbjahr 2013 räumte das Kinounternehmen ein, dass sie diese deutschen Filme natürlich auch zeigen, wenn das Publikum sie sehen möchte.
Am Ende der um mehrere Stunden überzogenen Anhörung verließ die Branche einigermaßen ratlos den Sitzungssaal. Wie so oft ließ sich das Bundesverfassungsgericht nicht von der beeindruckenden Eindeutigkeit der Politik und der Filmwirtschaft zum Weiterbestand eines Gesetzes überzeugen. Sollte die Idee, aus einer Abgabe der Filmwirtschaft die Filmproduktion zu fördern, vom Grundsatz her scheitern, so dürfte der Ersatz aus Mitteln der Bundesländer nicht zu stemmen sein.
In zwei bis drei Monaten wird die Entscheidung erwartet. Am wahrscheinlichsten wird von den Berichterstattern allerdings weder die Abschaffung noch die Bestätigung des Gesetzes angesehen, sondern der Gesetzgeber wird die Hausaufgaben erhalten, die Regelungen der nationalen Filmförderung in vielen Bereichen auf mehr Wirtschaftlichkeit zu justieren. Ob dies dem deutschen Film zu mehr Wirtschaftlichkeit verhelfen wird, dürfte dann ebenso offen sein wie die Frage, ob er dann auch besser wird.
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