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Reiner Michalke
Foto: Thomas Morsch

Europäisches Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik

25. August 2016

Programmchef Reiner Michalke über 30 Jahre Stadtgarten – Interview 09/16

Herr Michalke, Sie feiern dieses Jahr sozusagen „triple“: Ihren 60. Geburtstag, 10 Jahre Moers mit dem 11. Festival unter Ihrer Leitung und 30 Jahre Stadtgarten. Gratulation!
Reiner Michalke:
Nun ja. (lacht) Das sind Zahlen. Aber ja, das stimmt. Vielen Dank.

Vorab eine persönliche Frage. Warum haben Sie eigentlich vor 30 Jahren die Seiten gewechselt? Sie waren Bassist, haben 10 Jahre gespielt, dann sind Sie Veranstalter geworden.
Wenn ich ein Ereignis nennen müsste: Ich habe damals zum ersten Mal Jaco Pastorius gehört. Ich weiß nicht, wie viele Nächte ich mit dem Versuch zugebracht habe, zu verstehen, was er da macht. Was ich verstanden habe, war, wie weit ich von so einem Künstler entfernt bin. In die Konzertveranstaltung bin ich dann reingewachsen. Es gab einfach wenig Möglichkeit in Köln für Musiker, aufzutreten, das Engagement kam da von selbst.

Wie sah denn die Szene damals aus?

Reiner Michalke
Foto: Thomas Morsch
ZUR PERSON
Reiner Michalke (*1956 in Köln) ist Programmchef im Stadtgarten. Nach einem VWL-Studium studierte er Musik an der Musikhochschule Köln und arbeitete als Dozent und freischaffender Musiker. International vernetzter Leiter diverser Musikfestivals (seit 2006: Moers Festival), Vorsitzender der Initiative Kölner Jazz Haus e.V. und Jazz-Förderer in Radio und TV.

Man kann sich das heute vielleicht nicht mehr vorstellen. Köln war damals die Stadt in der Bundesrepublik, Berlin war nix. Köln war Deutschlands Musikhauptstadt. Aus ganz Deutschland kamen die Musiker nach Köln. Aber in den Siebzigern gab es trotzdem kaum Clubs, in denen zeitgenössischer Jazz gespielt wurde. Es gab eigentlich nur das Subway. Dort logierte aber ein „Keep Swingin‘“-Publikum mit Meerschaumpfeifen. Wir wollten den Jazz aus dem Keller holen.

Sie haben 1978 die Initiative Jazz Haus e.V. gegründet, nach langen Verhandlungen konnten Sie 1986 in den Stadtgarten einziehen. Wie sah die Initiative aus, was waren die Ziele?
Die Initiative Jazz Haus e.V. war immer heterogen angelegt. Es gab keine vorherrschende Stilistik, Glaubenskriege und Ideologien haben wir draußen vor gelassen. Die berufspolitischen Interessen standen im Vordergrund. Im Dezember 1986 haben wir den Stadtgarten eröffnet. Das Programm bestand anfangs aus Jazz, Improvisierter Musik und auch Neuer Musik.

In den letzten Jahren ist das Programm immer stärker in die Breite gegangen, der Anteil von Popmusik, auch belangloser Art, ist sehr dominant geworden.
Das ist richtig. Und das ist auch immer noch so. Bei anfangs 12-13 Konzerten im Monat sind wir irgendwann auf 30-40 Konzerte gegangen. Der Anteil anspruchsvoller Musik ist geblieben, steht aber ungefähr drei Viertel Vermietungen und Fremdbuchungen gegenüber. Das hat wirtschaftliche Gründe.

Das wird sich in Zukunft ändern. Zum Jubiläum können Sie den Ausbau des Stadtgartens zum „Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik“ verkünden.
Das ist ein tolles Geschenk, eine überraschende Wendung. Wir haben uns gefühlt 20 Jahre lang darum bemüht, Geld zu bekommen, und haben es nicht bekommen. Und dann tritt man vom Land auf uns zu und sagt: Wir haben da eine Idee. Wir wollen den Stadtgarten zum „Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik“ entwickeln. Der Musikreferent Thomas Baerens hat diese Initiative gestartet. „Wenn die Stadt mitzieht, dann fördert das Land den Umbau“, das war seine Ansage. Und Christoph Müller, der Musikreferent der Stadt Köln, hat das unterstützt. Der Rat hat dann im Juni grünes Licht gegeben. Darüber haben wir uns natürlich wahnsinnig gefreut.

Stadt und Land schrauben ihre Förderung bis 2018 auf insgesamt 600.000 € hoch, die dann jährlich zur Verfügung stehen. Im Vergleich: Bislang mussten Sie mit 80.000 € jährlichem Betriebskostenzuschuss zurechtkommen. Was war der ausschlaggebende Grund für diesen Schritt?
Sogar in Berlin, das ja Köln den Schneid abgekauft hat und wohin die Musiker gehen, die sonst nach Köln gekommen wären, gibt es heute es keine repräsentative Spielstätte mit ausreichend finanzieller Ausstattung. Es muss doch möglich sein, dass es in einem Land wie der Bundesrepublik, das in 84 Städten über 87 Opernhäuser mit eigenem Spielbetrieb verfügt, dass es in all diesen Städten eine kleine Spielstätte gibt, wo Aktuelle Musik zu einigermaßen vernünftigen Bedingungen auf die Bühne gebracht werden kann. Und jetzt kommen wir vielleicht in diese Situation, dass wir so eine Spielstätte betreiben können. Das ist dann in Deutschland einzigartig.

Wie sehen konkret die ersten Schritte aus?
Wir werden auf jeden Fall das Verhältnis von Eigen- und Fremdkonzerten umdrehen. Ganz ohne Fremdbuchungen werden wir wohl weiterhin nicht auskommen, aber wir werden uns in Zukunft aussuchen, wer hier aus kommerziellen Gründen auftreten darf. Als weiteren Schritt wollen wir die kuratierten Reihen, etwa die vom Improv-Kollektiv Klaeng, verstetigen. Dann werden die Kuratoren etwa auf drei Jahre mit einem Budget planen können. So wollen wir dann das Ganze immer mehr verändern. Und das ist auch abhängig von der Energie, die von außen kommt. Es werden natürlich nicht alle, die wollen, hier was machen können. Aber die Selektion soll auf mehrere Köpfe verteilt werden.

Gibt es auch Überlegungen, den neuen Stadtgarten spartenübergreifend aufzustellen?
Da bin ich ja prinzipiell anfällig. Köln ist groß genug, um etwas Spezialistentum zu vertragen. Das Kernprogramm wird aber definitiv das Schaffen in der Aktuellen Musik sein. Dieses Profil müssen wir erstmal herausarbeiten. Wenn dann da noch was zukommt, Bildende Kunst, Filmkunst oder auch Literatur, kann man darüber nachdenken. Wenn das sich etwa auf dem Niveau der Literatursalons, die Navid Kermani hier im Haus macht, bewegt, warum nicht. Als Ergänzung zum Kern Musik bin ich da offen.

Interview: Bastian Tebarth

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