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Here

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USA 2023, Laufzeit: 104 Min.
Regie: Robert Zemeckis
Darsteller: Tom Hanks, Robin Wright, Paul Bettany

Familiendrama mit besonderer Perspektive

Eine andere Zeit
„Here“
von Robert Zemeckis

Die Dinosaurier irren durch ihren Untergang. Als nächstes: Eiszeit. Dann: Die Rückkehr des Lebens auf Erden. Das 17. Jahrhundert: Ein indigener Mann schenkt seiner Frau eine Halskette. 18. Jahrhundert: Ein Kolonialhaus wird gebaut. 19. Jahrhundert: Der Bürgerkrieg endet. All die Geschehnisse bezeugt die Kamera in diesem besonderen Drama aus einer einzigen, starren Perspektive. Wie eine Wildkamera über einen Zeitraum von 65 Millionen Jahren. Ein Blick auf einen Ort durch die Zeit. 1907 dann wird ein Haus gebaut und die Kamera steht fortan im Wohnzimmer. 1945 schließlich kaufen Al (Paul Bettany) und Rose (Kelly Reilly) das Gebäude. Ihr erster Sohn Richard heiratet zwanzig Jahre später Margaret (Tom Hanks, Robin Wright – beide dank digitalem Make-up überzeugend verjüngt). Irgendwann leben drei Generationen unter einem Dach und Margaret will nur noch eins: Endlich raus hier!

Das Drama begleitet in der Folge vornehmlich Richards Familie durch die kommenden Jahrzehnte. Es erzählt von den Sorgen der Kriegsgeneration, von der Aufbruchsstimmung der Nachkriegsgeborenen, von Familie und Freiheit, von etablierten Geschlechterrollen und emanzipatorischer Rebellion, von unerfüllten Träumen und falschen Entscheidungen. Formbedingt sprunghaft – und dennoch berührend. Das große Kino hier aber entspringt dem gestalterischen Konzept: Robert Zemeckis („Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“) adaptiert die gleichnamige Graphic Novel des New York Times-Illustrators Richard McGuire aus dem Jahr 2014. McGuire nimmt darin zeichnerisch eine einzige Perspektive ein, die er durch die Zeiten hinweg unterschiedlich füllt. Bilder, in denen sich darüber hinaus Bildausschnitte aus verschiedenen Zeiten munter überlappen und miteinander korrelieren. Auch Zemecki arbeitet mit bisher so nicht gesehenen Splitscreen-Elementen. Kollege Christian Meyer-Pröpstl, versiert nicht nur im Film, sondern auch im Comic, attestiert der formalen Adaption schlichtweg ein „Kongenial!“. Ja, das, was McGuire da vor zehn Jahren entworfen hatte, ist umwerfend – und Zemecki adaptiert nicht bloß, er zaubert und lässt sich immer wieder zu kreativen Spielereien inspirieren. Es ist faszinierend, wie eine Kamera, die ihrer bewährten Möglichkeiten von Zoom bis Schwenk beraubt ist, im Korsett trotzdem bzw. erst recht zu bannen vermag – nicht zuletzt dank klugem Schnitt und Bild im Bild.

Der Zuschauer gerät derweil ins Grübeln und Philosophieren über die Bedeutsamkeit des Moments, des Ortes, des Lebens – und seine Flüchtigkeit. Darüber, dass jeder Ort historisch ist. Darüber, wie die Erde wohl auf uns Menschen blickt und wie wir Menschen Orte füllen. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, was das Kino in Zukunft mit diesem Konzept im Rücken noch so auf die Leinwand wirft. Hier geht ein Ruck durch den Kinosaal, ähnlich wie es einst geschah mit „The Blair Witch Project“ für den Found-Footage-Film. Vielleicht folgt ja demnächst „Blair Witch 3“ – gefilmt über Jahrhunderte durch eine Wildkamera.

(Hartmut Ernst)

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