Secret Sunshine
Südkorea 2007, Laufzeit: 142 Min., FSK 12
Regie: Lee Chang-dong
Darsteller: Song Kang-ho, Jeon Do-yeon
Mit ihrem Sohn zieht Lee Shin-ae nach dem Tod ihres Mannes in dessen Heimatstadt. Gerade hat sie sich eingelebt, da verschwindet ihr Sohn.
Dass muss man sich mal vorstellen: Der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann macht einen unkonventionellen, 140minütigen Spielfilm um eine junge Frau, die durch mehrere Schicksalsschläge fast in den Wahnsinn getrieben wird. Kann man sich nicht vorstellen, oder? Er hat es auch nicht gemacht. Lee Chang-dong, der ehemalige koreanische Minister für Kultur und Tourismus, hat mit „Secret Sunshine“ aber genau das gemacht. Das ist umso erstaunlicher, da der ästhetische Ansatz seines Films auf eine so unspektakuläre Art andersartig ist, dass ein Großteil des potentiellen Kinopublikums den Film unverständlich, langweilig, vielleicht sogar unerträglich finden wird. Es ist ein Film, bei dem man garantiert keinen einzigen Moment des Geschehens vorhersagen kann. Und das nicht, weil er das Gegenteil von dem zu Erwartenden tut, sondern weil er komplett aus jeglichen Erzählmustern aussteigt.
Im Gegenzug erhalten wir eine Geschichte, die wir wirklich glauben können und die nicht nur in den spannend gemeinten – sprich: unter als spannend geltenden Konventionen inszenierten Momenten, sondern in jedem Augenblick spannend ist, weil sie unvorhersehbar ist wie das Leben. Und wir sehen Figuren, die wir nachvollziehen können, weil wir sie nicht immer nachvollziehen können. Klingt paradox? Eine in eine Dramaturgie eingepferchte, um ihre Widersprüche, Feinheiten und für den Verlauf der Geschichte 'unnötigen' Eigenschaften beraubte Figur ist jedenfalls weniger nachvollziehbar als ein durch das Leben strauchelndes Wesen wie Shin-ae Lee.
Nach dem Tod ihres Mannes ist sie mit ihrem Sohn Jun nach Miryang gekommen, um sich in der Heimatstadt ihres Mannes niederzulassen. Dort hat sie schnell ein paar flüchtige Bekanntschaften gefunden, in dem naiven Jong-chan auch einen penetranten Verehrer. Sie stößt aber ebenso auf Ablehnung. Als ihren Sohn ein grauenvolles Schicksal ereilt, ist sie zunächst wie gelähmt. In einer christlichen Gemeinde findet sie wieder Halt und stellt sich dem Leben und seinen Herausforderungen von Neuem. Doch ihr Glaube wird erneut auf eine harte Probe gestellt.
Der Film benötigt 140 Minuten für seine an Ereignissen eher arme Geschichte, weil er nicht nur Stereotypen und Topoi abruft, die der Zuschauer aus seiner Filmerfahrung heraus leicht ergänzen kann, sondern den Zuschauer die Figur und ihre Geschichte erfahren lässt. Es braucht eben Zeit, jemanden kennen zu lernen. Damit ist „Secret Sunshine“ einem Film wie „Eureka“ von Shinji Aoyama, der dafür 240 Minuten benötigt, sehr ähnlich. Auch dort geht es um den Umgang und die Verarbeitung eines Traumas. Auch dort irren die Betroffenen ohne Ziel weiter durch das Leben.
Für Shin-ae dekliniert Chang-dong Lee die verschiedensten Wege durch, um am Ende mit ihr – (der Film wirkt tatsächlich, als habe nicht nur Shin-ae, sondern auch der Regisseur dies erst im Film erfahren können) – festzustellen, dass es kein Rezept für eine Heilung gibt. Weder Religion, noch Versöhnung, noch Wahn, noch irgendwas kann helfen. Es bleibt lediglich die Erkenntnis, dass es langsam besser wird, wenn das Leben weitergeht. Dieser kleine Trost überstrahlt den Film am Ende wie ein zarter Sonnenstrahl.
(Christian Meyer)
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